Im Rahmen seiner sinnstiftenden Selbstbezogenheit hält das Land die Funktion des Ersten in großen Ehren. Österreich versteht sich als erste Sportnation der Welt (gemeint ist das Skifahren), zweite Plätze sind schändlich, nur der Sieg zählt.
Politisch hat sich die Alleinstellung im Bundeskanzleramt etabliert. Rufen wir uns alle Ersten der aktuellen Republik in Erinnerung:
Karl Renner, war erster Regierungschef der Zweiten Republik, Leopold Figl erster ÖVP-Bundeskanzler und einziger mit grüner Tinte in der Füllfeder. Staatsvertragskanzler Julius Raab war erster Zigarren-Aficionado am Ballhausplatz, Alfons Gorbach erster steirischer Bundeskanzler aus Imst in Tirol. Josef Klaus war erster Alleinregierungschef, Bruno Kreisky daraufhin erster Sonnenkönig. Fred Sinowatz war erster burgenländischer und bisher einziger Bundeskanzler einer rot-blauen Koalition. Franz Vranitzky war erster BBB (Banker, Basketballer, Bundeskanzler). Viktor Klima war der erste Schwechater und Wolfgang Schüssel der erste Dritte im Bundeskanzleramt. Alfred Gusenbauer war erster Bundeskanzler, der das Amt schon in der Sandkiste anstrebte, Werner Faymann der erster Taxifahrer am Ballhausplatz. Christian Kern war in Doppelfunktion erster Simmeringer und erster Slim-Fit-Kanzler der Republik, sein Vize Reinhold Mitterlehner erster Übergangsbundeskanzler. Sebastian Kurz schließlich war jüngster Bundeskanzler aller Zeiten und gleich darauf jüngster Altbundeskanzler. Hartwig Löger war erster Kurzbundeskanzler eines ÖVP-Experten-Kabinetts.
Zeit für neue Rekorde.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 8. Juni 2019.
Ob Frau Bierlein die erste kluge Wahl seit langem ist, wird sich erst weisen. In jedem Fall wurde sie nicht von uns Österreichern gewählt, sondern von UHBP VdB auserwählt.
“Wir“ Österreicher haben noch niemals einen Bundeskanzler gewählt. Keinen einzigen. “Wir” wählen Listen von Damen und Herren, die für den Nationalrat kandidieren. Genau genommen geben wir einer dieser Listen in der freien und geheimen Wahl unseren Vorzug und möglicherweise einem/einer aus dieser Liste.
Ebendieser Nationalrat hat der vorvergangenen Regierung Kurz (nach dem dieser seinen Koalitionspartner rausgeworfen hatte) das Misstrauen ausgesprochen. Ein völlig legitimer, verfasssungskonformer, wenn auch bisher einzigartiger Vorgang. Bundeskanzler der Republik Österreich werden vom Bundespräsidenten bestellt. Ausnahmslos. Auch Bierleins Vorgänger Löger wurde von BP VdB bestellt. Und davor Sebastian Kurz. Dass in der Bevölkerung die irrige Annahme zirkuliert, der BK würde gewählt, ist Teil einer österreichischen Geschichtsklitterung. Auch das Argument, dem Obmann der stimmstärksten Partei stünde das Amt des BK zu, geht ins Leere, wie wir seit der Regierung Schüssel (Obmann der drittstärksten Partei) wissen. Eine Regierung muss, um im Amt zu bleiben, eine Parlamentsmehrheit hinter sich haben. Mehr nicht. Weniger allerdings auch nicht.
Beste Grüße,
Andrea Maria Dusl