Wer die Wahl hat, hat die Qual, lautet ein vielstrapaziertes Sprichwort. Es kommt aus anderer Zeit und atmet den Geist vergangener Lustigkeit. Wer keine Wahl hat, hat die Qual, sollte der Spruch heißen, wenn es denn überhaupt bedarf gäbe für einen Spruch, der Wahl und Qual zu Witzigem amalgiert.
Traditionell interessiert uns hierzulande die Wahl zum Europäischen Parlament nicht so sehr wie bundesweite Österreich-Wahlen: Nationalratswahlen, Bundespräsidentenwahlen, Bundespräsident-Stichwahlen und Bundespräsidenten-Stichwahl-Wiederholungen. Aber die Gurkenkrümmung, heißt es dann in kritischen Kreisen, und was geht Europa an, wie wir Schnitzel backen und Pommes frittieren?
Wäre der Ort Unmut zu plazieren nicht jener Ort, der den Unmut erzeugt? In demokratische Verhältnisse übersetzt: Probleme mit Europa sollten in Europa geklärt werden. Wir gehen ja auch nicht in den Wald und schreien die Schwammerl an, wenn wir Ärger mit dem Nachbarn haben.
Nun mag eingewendet werden, Brüssel und Straßburg wären weit weg. Schon für den Westen Österreichs stimmt der Befund nicht mehr. Bregenz liegt Luftlinie 540 km von Brüssel entfernt, dass sind nur schlanke 40 km mehr, als die Entfernung nach Wien. Dann mag eingewendet werden, die Sprachen Europas trennen uns. Das wird niemand je behaupten, der schon einmal von Stinatz nach Hittisau telefoniert hat, oder von Innervillgraten nach Saigahans.
Was hält uns also ab, an einem sonnigen Maiensonntag Europa unsere Stimme zu geben. Die Qual? Es ist keine. Die Wahl ist ein Recht. Gehen wir hin!
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 25. Mai 2019.