Wer ruft an und wann?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2019 zum 15.5.2019.

Liebe Frau Andrea,
ich möchte Ihren Rat in Sachen Handy-Benimm-Regeln erbeten. Wen darf man überhaupt am Handy anrufen, und zu welchen Zeiten?
Hochachtungsvoll,
Rosa Weingarten, per Elektronachricht

Liebe Rosa,
als private Telefonapparate noch verkabelt waren und öffentliche in schlechtriechenden Häuschen installiert, hieß die Regel: Angerufen werden darf, wer mit Namen und Adresse im öffentlichen Telefonbuch verzeichnet war. Zur Klärung dieser Frage lagen in sämtlichen Haushalten und Bureaus mehrbändige Datenschwarten auf. Vor 9 Uhr morgens wollte keine Privatperson erreicht werden und es hieß, während der Zeit-im-Bild-Sendung rufe man nicht, und nach 10 Uhr abends nicht mehr an. Ämter und Geschäfte beschränkten ihre Erreichbarkeit auf den sogenannten Parteienverkehr oder die sehr individuell getakteten Geschäftszeiten. Angerufen werden konnte jeder, abheben musste niemand. Aus der Länge des Läutens ließ sich Dringlichkeit erfahren und daher auch kommunizieren. Der Anrufbeantworter änderte diese gesellschaftlichen Usancen radikal und etablierte den Satz: „Falls Du da sein solltest, heb bitte ab.“ In dieser Epoche gewöhnten wir uns an die generelle Erreichbarkeit, ein Segen, den viele bald als Fluch erkannten. Mit der globalen Sättigung des Planeten durch Handys ist jede und jeder immerzu und überall erreichbar. Wie sollen wir die Erreichbarkeit heute handhaben?

Man rufe nur an, wessen Handynummer man persönlich erhalten hat (Anrufe gelten nicht als persönliche Übergabe). Mutuell Liebende, Privatassistenten und Flügeladjutanten sind von jeglicher Anrufzeitenbeschränkung ausgenommen. Ansonsten vermeide man, fast wie in alten Zeiten, Anrufe vor 9 und solche nach 20h. In Fällen von Unsicherheit über den Erreichbarkeitsstatus verbiete man sich den Anruf. Ein Email wäre eine Option, eine Social-Media-Direktnachricht nur zwischen Real-Bekanntschaften oder alten Posting-Buddies. Die erwähnten Beschränkungen lege man sich auch auf, wenn man zum Kreis der Short-Message-Süchtigen zählt oder zur Fieberblase der Messenger-Junkies. Im Zweifelsfall gilt die stählerne Regel: Weniger ist mehr, nie ist alles.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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