Das österreichische Haus

Die Historiker verstehen unter dem Haus Österreich das Herrschergeschlecht der Habsburger. Diese sind bekanntlicherweise nicht der heimischen Scholle entsprossen, sondern aus der Schweiz eingewandert. Ihrem Aussterben haben sich die gefinkelten Fremdregenten pragmatisch durch Vermählung mit den Lothringern entgegengestemmt, einer Familie, die ebensowenig einheimischer Natur war. Dass die Habsburger den halben Katalog europäischer Nationen verösterreichert (und im Gegenzug Österreich europäisiert) haben, ist Teil einer schlecht gepflegten Identität. Um eine veritable Bedrohung zu mobilisieren, wird gerne die Erinnerung an das expansive Wüten der Osmanen mobilisiert, gleichzeitig aber vergessen, dass tatsächliche Eroberungen entweder selbst durchgeführt wurden oder sehr befreundeten Nachbarn hierzulande einfielen.

Das Fremde stand dennoch schon früh in höchstem Ansehen, eine ganze, für Österreich sinnstiftende Industrie stellte sich völlig in den Dienst dieser Angelegenheit: Der allseits beliebte und die Finanzen des Landes dominierende Fremdenverkehr. Toute l’Autriche widmete sich dem Fremdenverkehr, richtete Fremdenzimmer ein, legte Orientteppiche aus, braute arabischen Kaffee und russischen Tee. Beim Ausbau der gastronomischen Architektur, beim Putzen und Kochen halfen und helfen Kräfte mit belastbarer Assimilationstoleranz, die sogenannten Gastarbeiter. Österreich ist das Fremde nicht fremd. Gäbe es noch Telefonbücher, genügte ein Blick auf die darin gelisteten, „einheimischen“ Familiennamen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 4. Mai 2019.

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