Blütenreigen

Die Kriminalistik kennt die Blüte als Bezeichnung für Spielgeld. Falsches Geld also, das echte Lust (im Gegensatz zu echtem Geld, das falsche Lust erzeugt). Auch die Literatur ist nicht minder interessiert an der Blüte, das Thema kulminiert überwirklich im dichterischen Hauptwerk Baudelaires: „Les Fleurs du Mal“, Die Blumen des Bösen. Sie blühen in der Großstadt (heute würden wir sagen: das Land ist immer mitgemeint). Der moderne Mensch ist schon alt, sein Frühling fühlt sich wie der Herbst an, er ist betörend schön und hässlich morbide, zerrrissen zwischen Ideal und Spleen,
den Kräften des Hellen, Guten, und den Mächten des Dunklen, Bösen. Als Österreicherfahrene wissen wir: Die Flucht ins Ideal scheitert an der Katastrophenpermanenz.

Wir sind also gut beraten, der Blüte mit Skepsis zu begegnen, ihrem Zauber nur mit Vorbehalt zu erliegen und uns mit den Insektenvertilgern zu verbünden, die sich für künstliche Befruchtung starkmachen. Aus einem einzigen Grund, er liegt jenseits jeder Schönheitsdebatte: Dem der Kontrolle. Wer die Blüten kontrolliert, kontrolliert auch die Früchte.

Mit dem Eintreten der Frühlingseuphorie, manche nennen sie Zukunft, andere: Chance, hebt traditionell auch die Antagonistin ihr graues Haupt: Vanitas, die Vergänglichkeit. Die Welt ist diesem manisch-depressiven Irresein verpflichtet und antwortet jeder Blüte der Menschlichkeit sogleich mit der Sense der Unmenschlichkeit. Sensibel für die Bedürfnisse der Mehrheit, heißt das im Kontrollsprech. Stundenwert: Einsfünfzig. Spielgeld.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30.3.2019.

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