Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 23.2.2019.
Der Ernstfall tritt in Österreich niemals ein. Es tritt stets der Opernball ein. Drei Großereignisse spannen das Bedeutungsfirmament des Landes auf: Der Villacher Fasching, das Hahnenkammrennen und der Opernball. Der Villacher Fasching ist die Scham des Landes, das Hahnenkammrennen sein Kreuzband, der Opernball aber ist sein Herz. Kein Land hat ein Herz wie Österreich, denn kein Land hat den Opernball.
Ohne Scham lässt es sich leben, ohne Kreuzband ebenfalls, aber ohne Herz ist an ein Dasein nicht zu denken. Der Opernball ist die Standeskontrolle Österreichs, es ist der heimliche, ja unheimliche Grund für jegliche Ordensverleihung, können doch Orden ausschließlich auf dem Opernball getragen werden. Ausländische Potentaten haben das früh erkannt und bildwirksam zu nutzen verstanden. Inländische noch vor ihnen, jedenfalls erkennen wir den offiziellen Rang eines Österreichers an der Güte seines Frackes, an der Rotweißröte seiner Schärpe und an der Größe des Ordenssterns. Österreicherinnen von Rang erkennt man an der Frisur. Was bei den Herren der Frack ist, ist bei den Damen die Coiffure. Sie beschreibt die Möglichkeiten des Individuums hinreichend, wenn auch selten hinreißend.
Man könnte einwenden, die höchste Form des Opernballbesuchs sei das Fernbleiben, wahre Eleganz zeige sich in der Reduktion. Das stimmt insoferne, als zum Opernball niemals jene antanzen, die wollen, und niemals jene die könnten, sondern ausschließlich jene, die dürfen, und jene, die müssen. Es gilt: Bella gerant alii, tu felix Austria salta! Kriege mögen andere führen, du, glückliches Österreich, tanze!