Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.2.2019.
Große Angst flutet das Land. Die einen fürchten Nadelstich und Giftcocktail. Böse Weißkittel (alle Büttel der Pharmariesen) vergiften unsere, und viel schlimmer: die Körper unserer Kleinkinder. Ungefragt. Mit seltsamen Substanzen aus Halbtotem und Chemie, imstande, unseren Leib, die letzte Bastion des Selbst, gewissenlos zu manipulieren. Die Vakzination ist für viele eine brutale Körperverletzung, sie ist die Krankheit, für dessen Heilung sie sich hält.
Die anderen, als wissenschaftshörig bezeichnet, ängstigt die Konsequenz aus der Verweigerung: Seuchenqual aller Art, epidemisches Armageddon.
Zwischen den beiden Lagern kann kaum noch vermittelt werden. Ergreift das Thema doch mehr als Individuum und Familie: Die Gesellschaft als Ganzes.
Hinter der Debatte verbirgt sich die Frage, ob es so etwas wie die ideale, perfekte Natur gibt, gestört nur durch den unnatürlichen Menschen und selbstverschuldetes Kranksein. Friedlich alleinegelassen, sagen Gaias Prätorianer, könne die Natur sich jederzeit selbst heilen. Wissenschaft und Fortschritt sind Störenfriede im Paradies, Medizin die Schlange, die die giftige Frucht vom Baum des Bösen reicht. Sie verrät den gütigen Gott, der nur die Sünder bestraft (nicht aber die Heiligen), um uns Lehren zu geben.
Nehmen wir zur Kenntnis: Die Natur ist nicht gütig. Sie ist ungerichtet und zufallsbestimmt. Die Evolution ist ein Prinzip und keine Wesenheit. Sie geht nicht moralisch vor. Moralisch und ethisch können wir sein. Weil wir Menschen sind. Wir können allerdings auch gnadenlos dumm sein. Wenn wir Zauber den Werkzeugen vorziehen.