Naturgesetze

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2.2.2019.

Wir waren Kinder. Die 70erjahre durchdrangen uns mit einem hochbunten Fluidum aus Vergangenheitsamnesie und Zukunftsfuror. Das Jetzt war von rasender Schönheit. Alles war möglich. Wir bauten Kugelmänner aus Tiefschnee, ließen kleine Igel Zigaretten rauchen und auf der Heißen-Räder-Bahn fuhren alle 140.

Noch größeren Spaß machte uns der Film. Vater baute Leinwand und Projektor auf und spannte den jüngsten Familienfilm ein. Das war besser als alles andere. Wackelige, unscharfe Bilder von uns, Vergangenheit, ins Jetzt geworfen, Eingefrorenes, in Bewegung geschmolzen. Schreiendes Glück. Und es ließ sich steigern. Mit dem Film aller Filme. Seine Handlung war einfach, aber galoppierend schön. Der dickwanstige Kater Carlo verfolgt die Donald Duck auf waghalsiger Bahnstrecke. Betörend ihre Gefährte: Draisinen! Überschnell, gefährlich und handbetrieben. Donald entkommt den vielen Versuchen des bösen Verfolgers nur durch List und späte Weichenstellung.

Jahrelang begeisterte uns der 8mm-Streifen. Bis wir entdeckten, was uns endgültig kirre machen konnte: Dem Vater anzuschaffen, den Film rückwärts abzuspielen. Dann begann die Geschichte mit dem Glück des Entkommens. Rückwärts fuhr der Verfolgte dem Verfolger nach, schälte sich aus einem Unglück nach dem anderen. Zwerchfellberstend die Passage, in der Donalds errötender Entenbürzel die zustechende Harpunenlanze des Verfolgers rotglühend fächelte. Wenn die Zeit rückwärts lief, verkehrten sich Ursache und Wirkung. Kein größeres Glück war denkbar. Keine schönere Lust.

Wie gesagt, wir waren Kinder.

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