Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 01-02/2019 zum 8. Jänner 2019.
Liebe Frau Andrea,
wenn in Österreich oder weltweit Demonstrationen stattfinden, gibt es in der Berichterstattung Schätzungen, wie viele Personen teilgenommen haben. Diese gehen meist weit auseinander. Normalerweise schätzt die Polizei weit weniger als die Organisatoren der Demonstration. Ich frage mich, ob man diese Schätzungen nicht zuverlässiger machen könnte. Wissen Sie, welche Methode für diese Schätzungen eingesetzt wird, und ob es da überhaupt eine Methode gibt?Liebe Grüße,
Daniele Haiböck-Sinner, Email per Mobiltelefon
Liebe Daniele,
zu den großen Herausforderungen unserer Wahrnehmung gehört das Einschätzen von Mengen. Wir können eine Handvoll Erbsen gut als Handvoll Erbsen quantifizieren, aber wieviel davon machen eine Handvoll aus? Und gilt diese Erkenntnis für alle Hände und alle Erbsen? Um die Erbsenzahl zu ermitteln, müssen wir sie zählen, vielleicht ein zweites oder gar drittes mal. Aus den Zählergebnissen werden wir einen Mittelwert nehmen. Wir werden mit verschiedenen Erbsensorten experimentieren und mit verschiedenen Händen. Mit hinreichend großer Empirie werden wir ein Gefühl für die Schätzung der Handvoll Erbsen bekommen. Aber zählen auch die Erbsen zwischen den Fingerritzen? Und wie gehäuft darf die Handvoll sein?
Eine ähnlich komplexe, aber umfangreichere Herausforderung ist das Schätzen von Menschenmengen. Wer je eine Party veranstaltet hat, erinnert sich an die Schwierigkeit, die genaue Anzahl der Besucher zu ermitteln. Ab wann zählt man? Bis wann? Gelten Wiedergekommene als neue Besucher? Je grösser die Teilnehmeranzahl an einem Event, desto ungenauer fallen Zählungen und Schätzungen aus. Eine gängige Methoden ist das Einteilen bestandener Flächen in Quadrate, das Zählen derselben, und die händische Auszählung eines Referenzquadrats. Die Anzahl der Teilnehmenden sollte das Produkt aus Referenzquadrat und Anzahl der bestandenen Flächen sein. Die Methode kann mit Dichtekoeffizienten verfeinert werden. Demonstrationszüge können quantitativ erfasst werden, in dem die Anzahl der Passierenden mit Klickern gezählt werden.
Unabhängige Zählorgane wären ein demokratisches Desiderat!
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina