Jahreswechsel

Weihnachten und seine Prüfsteine (Geschenketaumel, Familienaufstellung, Amateurgesang) liegen hinter uns. Nach dem Lichterabend ist vor der Knallernacht. Silvester ähnelt der Betriebsweihnachtsfeier, nur sind die Beteiligten andere und die Getränke heller. Mit zehrendem Langmut werden die Stunden abgebogen. Keine Zeit läuft langsamer ab, als die Stunden vor Mitternacht. Gewissermaßen bäumt sich das Jahr noch einmal gegen sein Beendetwerden auf. Silvester ist ein Bahnsteig, der die Wartenden nur ungern an den pünktlichen Zug entlässt.

Naht der Wechsel von Tag, Monat und Jahr, wird die Zeit dennoch knapp. Fragen werden laut: Ist das Konfetti griffbereit, die bunten Papierschlangen? Sitzen die lustigen Hüte noch schief, und die Pappnasen gerade? Steht der Jahresendsprudel im kühlenden Kelch? Sind die Schampusflöten geputzt? Und schließlich die männlichere unter den Fragen: Liegen die Raketen bereit, die Kracher und Piraten, gibt es ausreichend Publikum und bewundernde Gleichgesinnte? Stimmen die Uhren?

Eine Frage von kosmischer Österreichischkeit kann auch diesmal nicht beantwortet werden: Welcher Klang rührt uns mehr? Das dunkle, zwischen unheimlich und heimlich schwebende Dröhnen der Pummerin oder der leichfüßige Klang des Donauwalzers? Wir entscheiden uns für das Krachen der Sprudelkorken und den hellen Klang halbgefüllter Gläser, für die Umarmung und das Tänzchen im wiegenden Walzerschritt. Dann greift ein kleines großes Glück nach uns und erinnert uns: Es gibt ein Zwischenreich, in dem noch alles möglich ist.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 29.12.2018.

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