Lange Zeit war ungeklärt, wie die amtierende Bundesregierung farbspezifisch anzusprechen sei. Einige blätterten im Archiv der Erinnerungen und verwiesen auf Schwarz-Blau (den Kalamitätenbund der Doktoren Schüssel und Haider). Andere ließen das österreichische „ja, aber“ von der Leine, verbunden mit dem Hinweis, die angesprochene Experimental-Koalition sei ja die prägende Zeit hindurch schwarz-orange gewesen. Stimmt alles, sagen die Polemiker und sprechen von Tückisch-Lau, um Sebastian Kurz’ lustige Truppe zu benennen.
Es geht dieser Tage um ein ärarisches Jubeldatum, den einjährigen Geburtstag der Regierung Kurz-Strache. Wobei die Frage ungeklärt bleibt, wer die Mutter des Geburtstagskindes ist. Mater incerta, sagen hier die Forensiker. War die Regierung Kern-Mitterlehner die Mama oder gab es eine Jungferngeburt aus dem Schoße der alten Dame ÖVP? War der Wille des Volkes Vater (so sagt die Message Control) oder ein Medienbündnis aus Krawallpresse und Klüngelblättern? Und was wollte Vater Volk? Kerns Kopf? Das Routen-Ende? Oder nur den großen Aschenbecher?
Im Reformabsolutismus des Bürgerkaisers Joseph II. war die Losung „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“, die Revolution (und in gelinderter Form die Demokratie) antwortete dem mit dem Selbstverständnis „Alles für das Volk, alles durch das Volk“. Das ginge denn doch zu weit, meinen die Einzelfalldemokraten und einigen sich auf die Formel „Nichts für das Volk, nichts durch das Volk“. Der Boulevard jubelt. Für das Volk ist nämlich er zuständig.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 20.10.2018.