Phallus und Äquivalent

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 35/2018 zum 29.8.2018.

Liebe Frau Andrea,
die Welt ist voller Dinge, die als mehr oder weniger phallisch beschrieben werden. Also höchstens halbvoll. Denn mindestens genau so viel müßte im weitesten Sinn des Wortes weiblich daherkommen. Auf die Frage, was das weibliche Äquivalent zum Phallischen sein könnte, fiel mir nichts Besseres ein als: Mösoid. Das ist aber weder in Bezug auf das sprachliche Niveau, noch auf die zu beschreibenden Sachverhalte angemessen. Von den sexistischen Konnotationen ganz zu schweigen. Wie nun lautet das richtige Wort für Anti-Phallisches in Natur, Architektur, Design?
Mit (noch) ratlosen Grüßen,
Hannes Höttl, per Email

Lieber Hannes,

ich werde versuchen, etwas Licht ins Dunkel Ihrer Ratlosigkeit zu bringen. Als Phallus (von indoeuropäisch *bhel, aufschwellen) bezeichnen wir ursprünglich den erigierten Penis des Mannes. Seine Verbreitung als Symbol von Macht, Zeugungskraft und Virilität ist bekannt. Patriarchalisch orientierte Gesellschaften haben kein deutliches Gegensymbol zum Phallus etabliert, zumindest keines, das sich sprachlich in gleicher Präsenz abbildet. In einem gewissen Sinne könnte Vulva als Äquivalent verstanden werden, aber schon das Adjektiv „vulvisch“ gehört nicht zu unserem akuten Sprachschatz. In der feministischen Literatur ist das Thema Gegenstand weit ausholender Theorienbildung. Zusammengefasst: Wenn die Mutter keinen Namen geben kann, sondern nur der Vater, wenn alles auf Schauen und Sehen beruht, und nur äusserlich Sichtbares wichtig ist, haben Phalli Konjunktur.

Der Hinduismus hat die weiblich-männliche-Polarität in den Gottheiten Shakti und Shiva abgebildet, im Sanskrit bedeuteten ihre Namen wörtlich „Kraft“, „Energie“ (Shakti) und „Glückverheißender“ (Shiva). Aus feministischer Perspektive benennen die dem Gottespaar zugeordneten, in der Regel gemeinsam auftretenden Symbole unser Dilemma sehr deutlich: Yoni heißt in Sanskrit wörtlich “Ursprung“, das phallische Lingam „Zeichen“, „Symbol“.

Das Wienerische, stets um Überdeutlichkeit bemüht, hat unserem Thema mit einen derben Auszählreim geantwortet: „Fut und Beidl san Geschwister, und da Oasch is Kriegsminister.“

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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