Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 33/2018 zum 15.8.2018.
Liebe Frau Andrea,
Im Falter 29, Seite 32 ist im Bericht über die Ottakringer Straße die Formulierung „Milieuschuhe“ zu finden. Ich ersuche Sie als Fachfrau für eh alles um Aufklärung, was damit gemeint ist.
Freundliche Grüße,
Wolfgang Schreiner, Bad Vöslau, per Email
Lieber Wolfgang,
unter dem Begriff Milieu verstehen wir die sozialen Bedingungen von Individuen oder Gruppen. In Wien hat „Milieu“ eine ganz besondere Färbung, es bezieht sich auf die Geschäfte der Nacht, und hier insbesondere auf Unternehmer und Dienstleister des horizontalen Gewerbes.
Die Nachfrage beim Autor der Formulierung öffnete weitere Perspektiven. Unter Milieuschuhen versteht Kollege Lukas Matzinger High Heels oder Plateau-Pumps, wie sie auch von Sexarbeiterinnen getragen würden. Für einige junge Frauen gehörten solche Schuhe, so Matzinger, oft in Kombination mit kurzen Kleidern und viel Make Up, zum feierlichen Samstag-Ausgeh-Outfit. Trägerinnen solcher Schuhe werde von vielen eine gewisse sexuelle Freizügigkeit unterstellt, was der Kollege für ein unsinniges Klischee halte. Zu erwerben seien diese Schuhe seines Wissens in fast allen Preisklassen in so gut wie allen Damenschuhgeschäften. Ob die Bezeichnung „Milieuschuhe“ seiner reinen Fantasie entsprungen sei, oder ob er sie aufgeschnappt habe, könne er nicht mehr sagen. Letzteres sei durchaus möglich. Eine Schnellrecherche habe zumindest eine bisherige Erwähnung gezeigt. Im Spiegel vom 15.7.1996, zitiert Thomas Hüetlin im Artikel „Wie der Golfkrieg für CNN“ Dieter Bohlen, der über seine Ehefrau Verona Feldbusch gesagt hatte: „Sie lief in jeden Schuhladen und probierte diese Milieuschuhe. Ich habe geschrien: Kauf dir mal einen Rock, der länger ist als 2,5 Zentimeter. Und nach dem 36. Schuhladen habe ich mich ins Café gesetzt.“
Aus Wiener Milieuperspektive darf Spezifisches ergänzt werden. Wenn die „Hua am Strich“ oder „am Spagat“ geht, geht sie in die „Hockn“ (Arbeit). Die Berufskleidung für das Auf-und-Abgehen, das „Paradiern“ oder „Nafkenon“ (von rotwelsch nafke, Hure), bezeichnet die Wiener Dirne als „Hockngwond“, die absatzhohen Schuhe und Stiefel als „Hocknbock“. Böcke sind im Wienerischen nämlich die Schuhe.
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