Einen Schrauben kriegen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 32/2018 zum 8.8.2018.

Verehrte Comandantina,
noch im Eindruck der vergangenen Fußball-WM und auch als leidgeprüftem österreichischen Fußballanhänger konnten weder Freundeskreis noch Fußballorganisationen Auskunft darüber geben, warum die Redewendung “einen Schrauben kriegen” eine verheerende Niederlage im Wuchtelsport bezeichnet.
Bitte um Aufklärung und Trost meiner Fußballerseele,
Robert Hülmbauer, per Email

Lieber Robert,

am Morgen des 29. April 1963, dem Tag nach der verlorenen Bundespräsidentenwahl kommt der unterlegene Kandidat, der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab in sein Büro in der Bundeswirtschaftskammer und begrüßt seine Mitarbeiter mit den Worten: „Gestern hamma a Schrauf’n kriegt“. Was war geschehen? Amtsinhaber Adolf Schärf (SPÖ) hatte im ersten Wahlgang 55,41% der gültigen Stimmen bekommen, Raab nur 40,64%. Als gelernter Österreicher bezeichnete Raab die deutliche Niederlage mit einem Terminus, den der Fußballsport für sich gepachtet glaubt.

Nach Lehrmeinung der Wien-Etymologen kommt die Schraufn (ältere Version: der Schraubm) über das spätmittelhochdeutsche „schrûbe“ und das mittelniederdeutsche „schruve“ vom französischen „escrou“ und dieses vom gallo-römischen „scrofa“. Es bezeichnete ursprünglich (mittelalteinisch „scrobis“, weibliches Geschlechtsteil) die Schraubenmutter.

Kehren wir zur Schraufn zurück. Wenn unser Sprachbild das „Bekommen der Schraube“ mobilisiert, muss es auch jemand geben, der die „Schraube anbringt“. Dies verbindet sich mit einer, im heutigen Deutsch bereits vergessenen Verbalbedeutung von „schrauben“, dem „Aufzwängen“ und „gewunden Beharren“. Möglicherweise hat sich im Wienerischen noch ein weiterer Begriff eingemischt, der des Schröpfens, also des Aderlasses, des Abschrappens, Abraspelns, Abkratzens.

Als wären dies noch nicht genug etymologische Beziehungen, wollen wir noch eine urwienerische Verbalform in Erinnerung rufen. Wird doch der gewundene Abgang nach erfolglosem Auftritt, ja das gänzliche Vermeiden eines solchen in Wien als „sich schraufen“ (sich schrauben, sich drücken) bezeichnet.

Schroff zu sein, also abweisend, böse, bezeichnet der Wiener indes als „harb“, herb.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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