Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 30/2018 zum 25.7.2018.
Liebe Frau Andrea,
mit einem niederösterreichischen Kollegen habe ich, gebürtige Oberösterreicherin, vor kurzem überlegt, woher das Wort „Eitzerl“ oder „Eutzerl“ also das „Bisserl“ wohl herkommt. Können Sie mir das vielleicht beantworten?
Liebe Grüße,
Lisa Schmidtberger, per Email
Liebe Lisa,
unser Begriff gehört mit dem erwähnten Bisserl, dem Wengerl, dem Haucherl, dem Lackerl, dem Tröpferl, dem Futzerl, dem Keandl und „der Spur“ zum quantifizierenden Standardrepertoire des Wienerischen. Nicht ganz klar ist indes, wie wir das Eizerl aussprechen, geschweige denn, wie wir es korrekt schreiben. Zwischen Alzerl, Äutzerl, Eizerl zirkulieren allerlei Varianten. Die Instanzen auf dem Gebiet der Wiener Mundart-Lexikalik, Maria Hornung und Sigmar Grüner schreiben das ultimativ kleine Wiener Mengenquantum jedenfalls „Äutss(a)l“.
Woher kommt unser Begriff? Die einen wollen ihn von italienisch „alza“ ableiten, der dünnen Lederauflage, die schusterseits vorne auf die Leisten gesetzt wurde, um die Form aufzufüllen, ist doch „alza!“ der Imperativ von „alzare“, heben. Etwas schlüssiger erscheint die Etymologie, nach der das Eizerl von Alzerl kommt, der Kleinigkeit, abgeleitet vom althochdeutschen „atzerl“ (Bröcklein) beziehungsweise vom mittelhochdeutschern „älzelin“, und soviel wog, wie der vierte Teil eines Lots. Dieses alte Gewichtsmaß war das Zweiunddreissigstel eines Pfunds, nach heutiger Umrechnung etwa 17,5 Gramm. In alten Kochbüchern entspricht das Lot etwa einem „Löffel voll“. Das Älzelin, unser Eizerl, gewichts- und bedeutungsident mit dem Quentchen, enstprach damit einem Viertel-Löffel, also 4,375 Gramm.
Das ist allerdings noch nicht alles, was das Eizerl, so klein es auch sein mag, hergibt. Die seriösen Wörterbücher des Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen kennen die Atz, ein veraltetes Wort, das einst Speise, Verpflegung bedeutete, und mit „ezzan“, essen verwandt ist. Nach dieser Theorie ist das Atzerl also der kleine Bissen. Es dürfte sich mit einem anderen Wort aus dem Mittelhochdeutschen vermengt haben, dem „eiz“, soviel wie Eiterbeule. Das „eizel“ war also das kleine eiz, „so breit wie ein Nagel dick“, auf Wienerisch: Das Wimmerl.
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Die „Atzung“ ist keinesfalls veraltet, sondern wird unter FalknerInnen (und anderen, die sich mit Vögeln beschäftigen) als Ausdruck für Futter bzw. Füttern von Greifvögeln verwendet.
Vielen Dank für diese wichtige Information!
AMD