Wer erinnert sich nicht an das Ungeheuer von Loch Ness? Jenes scheue Unterwasserwesen, von dem nur unscharfe Fotos existieren, Furchterfahrungen wortkarger Spaziergänger und als Verankerung in medial unbedarfte Zeiten, ein Mönchsbericht aus dem Frühmittelalter. Niemals fanden die dubiosen Sichtungen unerklärlicher Kräuselungen auf dem fernen nordschottischen See im Winter statt, die Deuter schemenhafter Umrisse auf Super-8-Filmen schliefen im Frühling und der Herbst war keine gute Zeit für Sonar-Erkundigungen der nachtschwarze Seetiefen. Die parawissenschaftlichen Forschungen zu Wassersaurieren, Urzeitschlangen und Riesenaalen fanden stets im Sommer statt. Ihre Konjunktur fiel stets in die Sommerzeit.
Das Sommerloch ist ein Phänomen publizistischer Wirklichkeiten. Zeitungen und Magazine erscheinen während der Ferienzeit (wo die Politik auf den Strand ausgelagert ist) mit mutiertem Inhalt. Strand-Reportagen und Sommerfrische-Essays fluten die Blätter, dazu gesellt sich eine Offensive der Salatzubereitungs-Kamarilla und der Grillkunst-Mafia.
Der Boulevard hat täglichen Bedarf an gefühlskitschigem Schlagzeilenschauer. Und der genretypischen Mischung aus Krieg und Verbrechen, Wetterunheil und politischer Empörung. Wut und Angst wollen auch im Sommerloch geschürt werden, nicht nur die Glut im Gartengrill. Wenn die politische Katastrophe schläft, steigt der Bedarf an Sentiment. Der wird gestillt vom Sommerlochtier und royalen Fortpflanzungs-Updates. Von Bigfoot, verliebten Schwäne, Problembären und Prinzessinnen mit Bäuchlein.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30.6.2018.