Österreichische Werkzeuge

„Sitzt, passt und hat Luft“, sagt man bei uns, wenn die Mutter angezogen ist, der Balken gebogen, das Rohr verlegt. Der Spruch offenbart Tieferes. Sitzt es doch meist falsch, passt es ganz und gar nicht, stimmt es vorn und hinten nicht. Das kann passieren, wissen wir, und wir wissen (wie so oft in Österreich) noch mehr: Es kann nicht nur passieren, es passiert. Kann etwas passieren, passiert es das Können. Es geschieht den Bedarften, es ist kein Irrtum der Unbedarften. Je weniger das Können, desto kleiner der Irrtum. Eins zu Null für das Nichtkönnen.

Kommen wir zur Luft, die der Sinnspruch lobt. Gemeint ist nach österreichischem Verständnis der Verhältnisse das Spiel, das eine Verbindung haben soll (und darf), eine Montage, ein Aneinanderfügen, ein Passen. Aber muss alles Luft haben? Muss die Mutter, deren Bild wir eingangs abriefen, wackeln? Muss der Balken krachen, das Rohr tropfen? Muss die Naht zipfen? Sind die Flecken schön? Gefällt das Quietschen?

Die Antwort auf all diese Fragen der Österreicherei ist weder ein Ja noch ein Nein, auch kein Jein, es ist auch keine Gleichzeitigkeit beider oder die schwebende Unklarheit darüber. Selbst die Dialektik bleibt unschlüssig. Erzeugen These (sitzt) und Antithese (passt) wirklich eine Synthese (hat Luft)?

In der Frage der Passgenauigkeit der Verhältnisse gibt es in Österreich zwischen Ja und Nein nur eine gültige Zustandbesschreibung: „Schon, aber“. Also doch: „Sitzt, passt und hat Luft.“

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.6.2018.

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