Pfingsten – Reden in Zungen

„Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“

Das Wunder war geschehen, der Heilige Geist war eingefahren. Alle hörten Gesagtes in ihren jeweiligen Sprachen. Da erhob sich Ratlosigkeit und einer sprach zum andern: Was soll das werden? Andere aber hatten ihren Spaß und sprachen: Die sind doch nur voll von süßem Wein!

Die Apostelgeschichte spricht hier nicht von den Österreichern, aber auch. Sprechen Österreicher doch ausschließlich in Zungen, die andere verstehen. Oft verstehen sie sich dabei selbst nicht, weswegen Gesagtes gerne verhallt, gilt doch nur die Erinnerung an Gesagtes. In Österreich wird deshalb weniger gesagt, als gesagt, was schon gesagt wurde. Selber oder von anderen. Dass darüber nicht immer Einigkeit herrscht, liegt in der Natur der Sache, vielmehr aber noch in der der Natur der Österreicher. Wird, was selten genug vorkommt, einmal tatsächlich etwas bisher Ungesagtes gesagt, etwas Neues, Unerhörtes sozusagen, kleidet es sich in das Mirakel der Zweideutigeit. Man ist also generell für als auch gegen etwas, denn wofür man wirklich ist, wird sich erst herausstellen. Wenn Rauch und Brausen vorbei sind.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19.5.2018.

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