Der Lenz

Der Lenz, la primavera, le printemps, der Frühling. Was verbinden wir nicht alles mit dieser beliebten Jahreszeit! Sie gilt als Zeit von Liebe und Poesie, der Wiederkehr der Natur, der Auferstehung des Niedergelegten. Österreich hat großen Bedarf an Liebe und Poesie, wenn es auch kaum Konsens darüber gibt, wer von der Liebe kosten soll und was alles ein Reim ist. Jede Wiederkehr hat ihre Schattenseiten und der Auferstehung von Niedergelegtem widmen auch Bösewichte ihre frischerstarkte Kraft.

Der März ist ein besonders unösterreichischer Monat, verweist doch schon sein Name auf den zuständigen Patron, den römischen Kriegsgott Mars. Ihm eingedenk hatten sich zu Frühlingsbeginn die waffenfähigen römischen Bürger auf dem so genannten Marsfeld versammelt, einer Blutwiese vor den Toren der Ewigen Stadt. Es galt gemustert zu werden, Mannbarkeit nachzuweisen. Und den aktuellen Feldherrn zu wählen.

Das österreichische Marsfeld liegt momentan im dritten Wiener Gemeindeberzirk, an der Kreuzung Rennweg und Schlachthausgasse. Die dort situierte Kaserne beherbergt das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, eine geheime Behörde mit geheimen Agenden. Seine Geheimnisse werden jetzt aufgeteilt. Alle gieren nach einem Stück von diesem Kuchen. Auch die Geheimnisse selbst wollen wissen, was die Geheimnisbewahrer über sie bewahren. Gemustert wurden Floppy-Disks, Daten-Sticks, Festplatten und allerlei anderer Geheimnis-Kram. Aber nein! Es ging doch nur um Korruption, beschwichtigen die Hausdurchsucher. Der Staat befinde sich in Krise, warnen die Warner. Papperplapp entwarnen die Entwarnern, die Zuständigen hätten alles im Griff.

Wir sind wieder beim Thema. Dem März, dem Mars, seinem Feld und dem Ort der Wahl. Der Musterung, des Nachweises der Mannbarkeit. Weil es allzu österreichisch zugeht, ist auch nach Bekanntgabe aller Geheimnisse noch nicht ganz klar: Wer ist wer? Wer will dienen? Und wer ist der Feldherr? Und vor allem: Wo sind Liebe und Poesie?

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 17.3.2018.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert