Seestadt und Vogelhäuser

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 11/2018 zum 14.3.2018.

Liebe Frau Andrea,
fährt man über die Seestadtstraße in Wien in eben diesen neuen Stadtteil, erblickt man rechter Hand Kunst im Raum. Zumindest vermute ich das. Die drei extrem überdimensionierten Vogelhäuser scheinen keinen anderen Zweck zu erfüllen, als das Auge des Betrachters zu erfreuen.
Ich hoffe, Sie wissen mehr drüber! Liebe Grüße
Petra Herbek, Wien, per Email

Liebe Petra,
unmittelbar neben der südlichen Zufahrtstraße zur Seestadt Aspern stehen, wie Sie reportieren, drei überdimensionale graue, von roten Masten getragene Nistkästen von insgesamt beinahe sieben Metern Höhe. Es handelt sich, wie sie richtig vermuten, um „Kunst im öffentlichen Raum“. Das „Projekt für die Seestadt Aspern“ trägt den Titel „Warten auf Vögel VII/2 – eine neue Richtung“. Die Vorbeikommenden sollen von der Monumentalität der mehr oder minder alltäglichen Objekte bewußt irritiert werden. Dies liegt zumindest in der Intention des Schöpfers der Installation, des burgenländischen Künstlers Josef Bernhardt.

Ausgehend von 588 kleinen Nistkästen, die er in strenger geometrischer Formation schon am Karlsplatz in Wien realisierte, versucht Bernhardt in diesem Kunstprojekt nicht durch die Anzahl an Objekten, sondern durch deren Vergrößerung aufs Zehnfache darauf hinzuweisen, dass nicht mehr viel Zeit bleibe, den eingeschlagenen Weg der Naturzerstörung an einer Abzweigung zu verlassen, um eine neue Richtung einzuschlagen. Gleichzeitig symbolisieren die übertriebenen Ausmaße der Nistkästen für Bernhardt auch ein Entfremdetsein von der Natur. Die Nistkästen seien quasi nicht von dieser Welt, sie böten den Vögeln nur schwerlich ein Heim. Schließlich werfe die Skulptur die Betrachter auch auf sich selbst zurück. Wie lange könne der Mensch, so Bernhardt, überleben, wenn die Vögel der Stadt und die uns alle umgebende Natur verschwunden seien?

Die Kunstinstallation in der Asperner Seestadt ist ein weiteres Kunstprojekt, das von KÖR (der Institution Kunst im öffentlichen Raum Wien) gemeinsam mit der „wien 3420 aspern development AG“ gefördert wurde. Weitere Seestadt-Projekte sind die „Ornamentale Baumallee“ von Gilbert Bretterbauer und die „Notgalerie“ von Reinhold Zisser.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert