Das Tiefe und das Hohe

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 47/2017 zum 22.11.2017.

Liebe Frau Andrea,
irgendwo hab ich mal aufgeschnappt, dass die Drogen im Wienerischen mit meteorologischen Begriffen bezeichnet werden. Hab ich da was versäumt?
Liebe Grüße
Lisa Beznauer, per Email

Liebe Lisa,

tatsächlich teilt das Wienerische den Kosmos der Bewusstseinserweiterungen gegensätzlichen Qualitäten zu und spricht vom „Tiafn“, vom „Hochn“, vom „ Gschwindn“ und vom „Laungsauman“. Das Tiefe sind die Opiate, das Hohe Kokain, das Schnelle Amphetamine und das Langsame Beruhigungs- und Schlafmittel. Tauchen wir kurz ein in die Benennungskulturen der „Giftla“ und „Süchtla“, der Drogenkonsumenten und Suchtkranken und konzentrieren wir uns auf Tiefes und Hohes. Heroin heißt in Wien „Zeig“ (Zeug) oder prosaisch „Äidsch“ („H“, die Abkürzung von Heroin). Die intravenöse Selbstinjektion nennt der Wiener Heroinist „fadln“ (vom Einfädeln in die Vene), „druckn“, „si wos fedsn“ (sich was fetzen), „si zuamochn“ (zumachen), „si hearichtn“ (herrichten), „si Zeig ziagn“ (Zeug ziehen). Wenn das Zeug „eifoat“ (einfährt), „fleschd“ (flasht), ist man auf oder in „da Wöön“ (der Welle) oder schlicht „zua“ (geschlossen). Regelmäßiger Konsum heißt in Wien „drauf sein“, der Entzug firmiert als „Krocha“ (Kracher), von wo auch die Wendung „krochn wiara Kaisasemmal“ (krachen wie ein Kaisersemmerl) kommt. Der „koide Krocha“ (der kalte Entzug) ist der „Döaky“ (turkey) oder „Scheppara“ (der Klapperer). Protagonisten „scheppern wiara Gluppnsackl“ (klappern wie ein Kluppensäckchen). „Trickern“ beschreibt den spezischen Zustand nach Konsum sedierend wirkender Substanzen wie Opiaten oder Benzodiazepinen. Es kommt vom wienerischen Ausdruck „tricknan“, also auftrocknen, trocken werden und beschreibt das berauschte Abliegen. Auch für das „Hoche“ stellt das Wienerische spezifische Ausdrücke bereit. Kokain firmiert als „Koka“, „Schnee“, als „Weißes“, als „Naserl“ (wegen der Destination) und „Briafal“ (Brieferl; wegen der apothekarischen Verpackungsform). Die Darreichung wird bezeichnet als „a Nosn einehauen“ (eine Nase reinhauen), „a Lein legn“ (eine line legen) oder „a Stroßn“ (eine Straße). Von einer Gossn (Gasse) wissen die Aficionados des „Hochn“ nichts.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Ein Gedanke zu „Das Tiefe und das Hohe“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert