Die österreichische Fernbedienung

In Forschung und Lehre des Österreichertums nimmt die Bedienung eine zentrale Stellung ein. Ein Teil des Landes arbeitet im Dienstleistungssektor, bedient also, ein anderer lässt sich bedienen, ist also bedient. Auch im umgangssprachlichen Sinn des Begriffs. Wer sich berauscht hat, ist bekannterweise bedient. Zwischen diesen beiden Polen hat sich eine breite Äquatorialzone eingerichtet, die sich politisch wie privat verwirklicht, ja das eine mit dem anderen verquirlt. Suchte man ein Werkzeug, das die Österreicherei symbolhaft und hinreichend beschriebe, man fände nicht die Heugabel oder den Wagenheber, nicht die Spaltaxt oder den Wecker, sondern ein längliches Ding aus schwarzem Plastik. Mit Knöpfen übersät wie eine Schatzkistlein, batteriebetrieben wie ein Massagestab, telepotent wie ein Mobiltelefon. Die Fernbedienung. An ihr finden die Ohnmächtigen Halt. Ein unsichtbarer Strahl (das weitgehend unverstandene Infrarot) sendet die Signale: Fernsehapparate und Aufzeichnungsgeräte, Garagentore und Jalousien, Heizungen und Kühlungen setzen sich, wie von Geisterhand bewegt, in Betrieb.

In der österreichischen Seele hat das Werzeug fatale Magie entfesselt. Österreicher und Österreicherinnen schaffen nicht an, sie bedienen fern. Sie drücken ein Knopferl, krixeln ein Kreuzchen und werden zu Maharadscha und Maharani spukhafter Fernwirkung. Die rechtspopulistische Spinmedizin hat das politische Potential der Fernbedienung längst erkannt und Instrumente entwickelt, die der Fernbedienungslust Rechnung trägt. Online-Umfragen, Wutforen und Fanseiten sugerieren individuelle Gestaltungsmacht. Wer das kleine Einmaleins des Digitalen halbwegs drauf hat, legt sich multiple Identitäten zu und vergrössert seinen Hebel.

Das fernbedienerische Selbst indes hält den eigenen Daumen für den Programmintendanten. Es darf der Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan mit der Erkenntnis zitiert werden: „Das Medium ist die Botschaft“. Oder: Die Fernbedienung ist die Fernbedienung.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 18.11.2017.

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