Schatzi

„Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ fragt Faust in Goethes Tragödie, als ein junges Mädchen auf der Straße an ihm vorübergeht. Die Angesprochene hat andere Pläne und gibt bekannt: „Bin weder Fräulein, weder schön“, sagt Margarete, „kann ungeleitet nach Hause gehn.“ „Sie macht sich los und (geht) ab“, notiert Goethe als Regieanweisung, und deutet damit an, dass der Herr Doktor schon Hand angelegt hatte, um seinem Interesse Nachdruck zu verleihen.

Das Stück um die ungewollt-gewollte Beziehung zwischen dem Wissenschaftler und Midlife-Crisis-Kapitän Dr. Heinrich Faust und dem jungen Mädchen aus einfachen Verhältnissen ist gute zweihundert Jahre alt und beschreibt doch auf erschreckend aktuelle Weise den Alltag von Frauen von heute. Schönheit, Jugend, ja Frauschaft alleine werden von Männern (nicht allen, wohlgemerkt!) noch immer als Einladung zur Kutschenfahrt in die Schluchten der Tragödie verstanden. Das Kennenlernen wird erzwungen, sämtliche intendierten Schritte danach ebenfalls. Der Ausgang des Dramas zwischen Silberrücken Faust und der Maid Gretchen sind bekannt. Zur Aufklärung und Besserung der Verhältnisse haben sie indes nicht viel beigetragen.

Wir dürfen also pessimistisch sein, dass der öffentliche Diskurs zu Grabschereien, sexistischem Monologen und unerwünschten Angeboten, jüngst aus Amerika zu uns geschappt und hierzulande akutpolitisch weitergewalzt, nicht mehr bewirkt, als eine Polarisierung.

Ja darf man denn jetzt nichts mehr sagen, jammern die Casanovas des Landes, stirbt die Liebe aus? Das Abenteuer, der Spaß? Was soll man ab jetzt noch dürfen?, fragen die Angraber und Ausgreifer. Die Antwort für die Ratlosen ist einfach, wenn auch derb. Was soll Mann also dürfen? Ungefähr soviel, wie er sich sich an sprachlichen und körperlichen Avancen von einem fiktiven Zellengenossen im Männergefängnis erwarteten wollte. Wir dürfen pessimistisch sein, aber wir müssen nicht.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11.11.2017.

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