Land der Äcker

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Die bekannte Märchenformel hat begrenzte Gültigkeit auf dem Acker der Politik. Bruno Kreisky ist gestorben, aber er rotiert noch heute. Fürst Metternich, Engelbert Dollfuß und der Braunauer Gefreite sind verbürgtermaßen tot, aber ihre Geister spuken noch immer als Untote durch die Hallen der Ideen und Pläne. Am lebendigsten aber ist eine Figur aus dem Volk namens Angst. Ihr Füllhorn wird beständig mit neuen Früchten aus den Gärten der Infamie geladen.

Es mag am Metaphernreichtum seines Figurenkabinetts liegen und der Gültigkeit seiner Geschichten, jedenfalls ist das Märchen die Erzählform der Stunde. Der Türkise Prinz aus dem Schwarzen Königreich hat das richtige Sprücherl aufgesagt (es lautet Ausländer) und darf in die Schatzkammer der Macht eintreten. Dort wartet der Böse Blaue Wolf mit dem anderen Zaubergeheul (es lautet Inländer). Isegrim hat gerade das Rotkäppchen verspeist. Die Frühpenisonistin hat ihrerseits zuviel von den grünen Früchten genascht. Die Kobolde aus dem Bobowald sind auf absehbare Zeit mit Weinen beschäftigt. Hätten sie doch den giftigen Pilz nicht weggeworfen!

Ein Brief aus dem Reiche Silberstein indes hat den Märchenreigen erst angestoßen: Darin wurde Schienenritter Kern der Prinzessinenhaftigkeit geziehen. Im Klartext: Der Empfindlichkeit gegenüber Erbsen unter der Liegestatt. Die Werkstätten des schriftlichen Gemunkels schaukelten sich wund an der Lustigkeit dieses Bilds. Der Kanzler als Königstochter! Harhar! Nuja. Es darf nicht vergesen werden, dass die Prinzessin im Märchen nicht immer die Dumme ist. Als Hüterin der Erbfolge wollen sie viele niederreißen. Prinzen aller Alter und Herkünfte. Und bekanntermasen ist es nicht der Erst- und schon garnicht der Zweitbeste, dem sie sich hingibt. Lieber sticht sich die Prinzessin in den Finger, um sich im Langschlaf zu erholen und mit der Kraft der Ausgruhtheit das Königreich wieder in Ordnung zu bringen. Soweit das Märchen. Falls wer fragt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28.10.2017.

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