Österreichs Boulevardblätter haben dem allgemeinen Trend der Politik zu Dirty Campaigning die Facette der Dirty Coverage hinzugefügt. Damit wurde weder Politik noch der Buntblattpublizistik ein guter Dienst erwiesen. Was mag sich der Kandidat einer türkisfarbenen Bewegung also gedacht haben, als ihn ein Yellowpress-Blatt eine englische Monarchenkrone auf die Gelfrisur photomontierte und sinngemäß schlagzeilte, der Dargestellte sei schon jetzt zum Kanzler gekrönt worden? Weiß man in den befassten Herausgeberkreisen nicht mehr, dass Kanzler weder gewählt noch gekrönt werden, sondern Abgeordnete auf Listen? Das weiß man, aber man vergisst es um des optischen Gags willen. Vergessen bleibt dabei auch die kulturgeschichtliche Erinnerung, dass Kronenträger in Österreich traditionell im Ruch des Absolutismus stehen (oder sich als Knallchargen aus dem Fasching und der Weinlese-Folklore manifestieren).
Wenden wir uns einem anderen Symbol der Vergänglichkeit zu. Der Urne. Ihre Nämlichkeit verführt zu tragischen Assoziationen. In sie werden nicht nur Stimmen geworfen, sondern in ihr bekanntlich auch die Asche von Verstorbenen aufbewahrt. Die Kulturgeschichtsschreibung hat noch nicht hinreichend geklärt, warum wir den Ballotagebehälter für freie und geheime Stimmabgaben just mit jenem Wort bezeichnen, das für den Aschesarg zirkuliert. Die funeralen Assoziationen korrespondieren mit der Miene, mit der die Stimmberechtigten hierzulande an „die Urne“ schreiten. Gewiß gibt es für gelernte Österreicher auch andere Momente, die an die Heilige Kommunion der Katholiken erinnern. Der Sonntagstermin, das Anstellen, die Kontemplation. Vor allem aber: Der Ernst, mit dem das Ritual begangen wird. Ähnlich verwirrende Assoziationen birgt der Ausdruck „Wahlzelle“. Im besten Fall dient eine Zelle der Versenkung und dem Schlaf von Mönch und Nonne, im ungünstigsten dem Absitzen von Strafe.
Wünschen wir uns daher Elektionsbegrifflichkeiten aus dem säkularen Diesseits. Und kronenlose Kanzler.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 14.10.2017.