Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 40/2017 zum 4.10.2017.
Liebe Frau Andrea,
Es gibt da dieses Qualtinger-Lied vom „Gschupften Ferl“. Kommt das von seiner Art zu tanzen?
Vielen Dank für die Nachhilfe!
Tamara Margotti, Hernals, per Email
Liebe Tamara,
des Ferl Gschupftsein kommt nicht vom Tanzen, sondern vom Verrücktsein und dieses hat einen seiner Ursprünge im Bäckerschupfen. Die mittelalterliche Tortur verstand sich als Ehrenstrafe für Vergehen gegen Güte und Gewicht von Backwaren und wurde schon unter den Babenbergern gepflogen – das letzte Schupfen fand 1773 in der Rossau statt. An einem ziehbrunnenartigen Hebelbaum hing ein hölzerner Käfig für den Delinquenten. Unter großem eigenem und dem Gekreische der Zuschauer wurde der Bäcker dann ins Wasser getaucht. Es wundert nicht, dass die solcherart Gschupften auch gschupft blieben.
Neben dem „Gschupftsein“ zirkuliert eine Vielzahl anderer altwiener Bezeichnungen für die psychiatrische oder soziale Devianz. „Blitzgneissa“ („Gneissen“ ist das Verstehen), ist jemand mit langsamer Auffassungsgabe, „Dales“ der Arme im Geiste (jiddisch dales ist die Armut). Der „Doig“ (mittelhochdeutsch talke, Teig) ist der Teigige, also ein formbarer Dummkopf. „Gauch“ war seit dem Mittelalter gebräuchlich für den Kuckuck und bezeichnet den Narren. Der Trottel firmiert auch als „Lompmschirm“, „Müliampa“ (Milcheimer), „Niatn“ (Niete), „Pfostn“ oder „Voipfostn“ (Vollpfosten). Große Konjunktur darf auch dem „Koffa“ bescheinigt werden. Der Ausdruck kommt vom jiddischen kafer, Bauer.
„Gschupfte“ aus dem Formenkreis des Irreseins haben in Wien „an Glescha“ (von jiddisch chaleschen: schwach, ohnmächtig werden), „an Becka“ (eine Macke), „an Fogl“ (Vogel), „an Klopfer“, „an Hieb“, „an Huscher“ oder „an Stich“. Im Rahmen millieutypischer Beleidigungskultur sind Gschupfte auch ohne belastbare Diagnosen „aubridschd“ (angepritscht), „audridschd“ (angetritscht), „augschdrad“ (angestreut), „augschit“ (angeschüttet), „bled“ (blöd), „blem-blem“ (plem-plem), „driab“ (trüb), „fadrad“ (verdreht) oder „fanewed“ (vernebelt). Gschupfte „fiahn si auf“ (führen sich auf), sind „gschbridsd“ (gespritzt), „narisch“ (narrisch, närrisch) oder ganz einfach nur „waach“ (weich).
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