Von Kanzler Kern hört man bei jeder sich bietenden rednerischen Gelegenheit, dass er schon alles erreicht habe ihm Leben, was er sich gewünscht habe. Gewünscht hat er sich gewiss nicht die Erkenntnis, dass Erfahrung oder Werdegang wenig zählen in der Arena der Aufmerksamkeit. Soigniertes Auftreten und Mutterwitz? Nada.
Der türkise Kontrahent, er steht noch in Ausbildung, hat noch nicht alles erreicht im Leben. Bundeskanzler steht noch unabgehakt auf der Liste der kurzen Ziele. Fokussierte Sebastian Kurz bisher auf Themen, mit denen der Boulevard bei Laune gehalten werden konnte – Namen-Mikado, Farb-Spiele und Anpatz-Bingo – setzt der Umfrage-Imperator jetzt auf Esoterik. Wir rufen das Genre in Erinnerung: Es umfasst neben dem Träumen mit offenen Augen das Fliegen ohne Flügel, das Reisen durch die Zeit und die Erweiterung des Bewusstseins durch Redezauber und Händeschütteln. Showbusiness also. In der türkisen Bewegung zirkulieren dafür andere Bezeichnungen: Zusammenhalt. Leistungswilligkeit. Standfestigkeit. Sebastian.
Mit der Spiritualität der Menschen dürfe man nicht spielen, geben die Kritiker der politischen Operettenkunst zu Protokoll. Wir spielen nicht, wir meinen es ernst, antworten die Spin-Doktoren der Sankt-Sebastian-Sekte. Wir bieten den Menschen, die gerne in die Kirche gehen, Weihwasser und Choräle schätzen, und von einem gestrengen Pfarrer eine saftige Predigt erwarten, das Gewünschte in der Großpackung.
Kurz und Bewegung mieteten also in Anerkennung dieser Desiderate die Stadthalle an, die größte Kathedrale des Landes, und füllten sie mit Schäfchen. Und mit ausgesuchten Amts-Vorgängern. Viele Kanzler waren nicht dabei, genaugenommen nur „wer, wenn nicht Er“. Es imponierte die Bewegungsfarbe Türkis, ein Tennis aus Gesten und Gags und eine Verzückung, wie man sie in dieser Partei noch nicht kannte. Aber ist die Sekte Sebastian noch die Partei, die man einst die Schwarzen nannte? Die leuchtenden Augen der Verzauberten geben eine klare Antwort.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30.9.2017.