Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 38/2017 zum 20.9.2017.
Liebe Frau Andrea,
in der in Wien spielenden Folge „Wiener Brut“ der Krimiserie „Der Bulle von Tölz“ werden Essens- und Getränkebestellungen in Lokalen, Imbissbuden und Restaurants stets mit einem rätselhaften „sehr heikel“ abgeschlossen. Selbst als ehemaliger Wahlwiener ist mir diese Floskel nie untergekommen, bitte um Hilfe, was es mit dieser dubiosen Redewendung auf sich hat!
Vielen Dank! Beste Grüße,
Marc Steidl, Linz, per Email
Lieber Marc,
Ihre Frage berührt gleich mehrere Felder sprachlicher Vermögenskultur. Sie hat in ähnlicher Weise in einschlägigen Online-Diskussionsforen für Verwunderung und Ratlosigkeit geführt. Die angesprochene Folge wurde am 19. März 2007 erstmals in Sat.1 ausgestrahlt.
Die Episode thematisiert einen Wienbesuch des polizistischen Bayern-Urgesteins Benno Berghammer (Ottfried Fischer) und seiner resolut-anstrengenden Mutter, der Privatkriminolgin Resi Berghammer (Ruth Drexel). In den Dialogen wird die vorgeblich wienerische Redewendung „sehr heikel“ im Sinn von „aber schnell“ eingesetzt, so von von einem Wiener Krimineser-Oberstleutnant Prantl (Karl Fischer) bei der Bestellung von Würsteln, weiters vom Wirt Pepi Reiter (genregrecht gespielt von Gastronom Hanno Pöschl) bei der Weitergabe einer Kaffeebestellung und ein weiteres Mal von erwähmtem Oberstleutnant, wenn er im Polizeipräsidium einen Unterläufel Kaffee holen schickt. Man darf in diesem Zusammenhang vom Stilmittel des „Running Gags“ sprechen.
Wiener Muttersprachler bemängeln nun einerseits den Einsatz der Formel, wären doch „owa gschwind“ oder „owa pronto“ die adäquaten Viennismen gewesen, andererseits irritiert die Aussprache von „heikel“: Das Wort wird wienweit „haaglich“ ausgesprochen. Die Drehbuchautorin, eine gebürtige Tirolerin, ist vom zentralen Vorwurf, sich in einem Wiener Beisl verhört zu haben, freizusprechen, nicht aber von jenem, der norddeutschen Zunge zuzuarbeiten. Klänge doch „haglich“ zu stark nach „behaglich“. Indentiert war mit hoher Wahrscheinlichkeit, zum Ausdruck zu bringen, der Besteller sei ein „sehr haaglicher“ Gast – klandestines Wiener Kellnerwissen.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Oder gar Intendiert?
Liebe Comandantina!
Als treuer Falter-Leser las ich im Zug nach Innsbruck soeben Ihre Falterkolumne zum Thema „haglich, heikel“. Da in Ihrer Diskussion des bei einer Bestellung verwendeten Ausdrucks „sehr heikel“ meine Art der Verwendung (bzw. meines Verständnisses dafür) nicht vorkommt, fühle ich mich befleißigt, Ihnen „stante pede“ aus dem Zug ein Mail zu schreiben. 🙂
In Oberösterreich, und hier besonders bei Bierbestellungen von qualitätsbewußten Biertrinkern, wird das „sehr heikel“ nämlich nicht im Sinne von „schnell“ eingesetzt, sondern im Sinne von „haglich“. Bei der Bestellung eins Krügel Biers bedeutet „sehr heikel“ also das genaue Gegenteil der offenbar im „Bullen von Tölz“-Krimi gehegten Absicht einer Eilbestellung. Mit der Bestellung einer „heiklen Halben/Hoiben“ oder „a Krügerl, sehr heikel“ fordert der Besteller nämlich ein Bier, das sorgfältig und langsam eingeschenkt wird, sodass das Bier nicht nur eine schöne und stabile Schaumkrone erhält, sondern durch weniger Kohlensäure auch besser trinkbar ist. Und so etwas geht nicht schnell, sondern dauert je nach Geschick des Kellners bzw. der Kellnerin durchaus 5-10 min.
Ich muss allerdings zugeben, dass die Zahl der Wirte/Wirtinnen bzw. Kellner/Kellnerinnen, die diese Bestellung überhaupt verstehen, sukkzessive weniger wird. Aber in Wirtshäusern mit Qualitätsbewusstsein, z.B. in Oberösterreich oder (kürzlich dort gehört) auch in der Steiermark, können Sie diese Art der Bestellung ausprobieren. Übrigens hat das Gösserbrau in Leoben die Bestellung dahingehend „institutionalisiert“, als die Bestellung eines Gösser Spezial mit die dazugehörige „Lieferzeit“ von 20 min impliziert und dies auch auf der Karte vermerkt ist und vom Kellner bei der Bestellung auch angemerkt wird.
In der Hoffnung, noch zusätzlich Licht in diese heikle Frage gebracht zu haben, verbleibe ich
Mit besten Grüßen
Günter Köck
Dr. Günter Köck
Innsbruck/Wien/Gmunden
Lieber Dottore Köck,
vielen Dank für diese wertvolle Ergänzung. Das Rätsel ist gelöst! Ich halte ihre Theorie für die beste und die darin beschriebene Verwendung des Ausdrucks für den Kern der diskutierten Dialogbeispiele! „Sehr haaglich“ wurde von der Drehbuchautorin der Bullen-Folge offensichtlich irgendwo im mittleren Westen aufgeschnappt und (für Wien, wo man die Formulierung so nicht kennt) falsch eingesetzt. Für Kaffeebestellungen und Würstelstand-Orders macht ihre Version ja keinen direkten operativ wirksamen Sinn.
Beste Grüße,
Andrea Maria Dusl,
Dottoressa