Der Kaiser trug einen, der Walzerkönig, der Gründer der Republik, und auch der Braunauer hatte Haare im Gesicht. Der Bart spross immer wieder aus dem österreichischen Mann. Schon der junge Franz Josef ließ sich einen Schnauzer stehen, wie er einst für höhere Militärpersonen üblich war und lange Zeit noch bei Rekruten im republikanischen Bundesheer. Der Bart schied den Mann vom Bürscherl. Der 1848-Revolutions-Vollbart setzte sich beim Gründerzeit-Bürgertum als Standardzierde durch. Künstler trugen das Haar dazu. Wallend. Nur Provinzbeamte ahmten den kinnfreien Bart des reifen Kaisers nach. Das 20. Jahrundert rasierte dann glatt. Aus Hygienegründen. Erst die Hippies, Gammler und Jungrevolutionäre der 1968er bekannten sich wieder zum rauschenden Vollflaum. André Heller hat das Genre durch die Zeit gebracht, Bruno Kreisky den Bart des Poeten in Mallorca angelegt, Senner und Hochalpinisten trugen Bart aus Gründen der Praktischkeit. Und irgendwann passierte es: Otto Normalo ließ sprießen. Nicht den verhaltenen Dreitagesbart der Werbefuzzis und Weinimporteure. Nein, den Mullahbart. Das Gesichtsgebüsch. Das Zuwuchern der Züge mit mosaischem Kinn- und Wangenhaar schlich sich wieder in unsere Welt. Gillette und Wilkinson zum Trotz. Der urbane Typus des Hipsters entstand. Männer mit Holzfällerhemden, Holzfällerhosen, Holzfällerstiefeln, Holzfällerhüten und vor allem: Holzfällerbärten. Das eizige, was den Hipster vom Holzfäller unterscheidet, ist das Fehlen jeglicher Kenntnisse auf dem Gebiet der Entforstung. Hipster können nicht einmal Zitronengras umsägen. Auch die Sopranistin Conchita Wurst, ein zartes Wesen, aus Phoenixasche geboren, pflegt den Hipsterbart. Mit der Selbstverständlichkeit, mit der sie zentimeterlange Kunstwimpern trägt und Make-Up aus der Profiliga. Die Bartsucht hat längst die Gesellschaft ergriffen. Alte Bekannte müssen sich wieder namentlich vorstellen. Der Blick ins Gesicht reicht nicht mehr zur Wiedererkennung. Der Stil der Zeit: Bart Déco.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 16.9.2017.