Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 37/2017 zum 13.9.2017.
Liebe Frau Andrea,
warum bin ich, wenn ich alle Kleider ablege, splitternackt? Um welchen Splitter geht es dabei? Und ist splitterfasernackt noch nackter als splitternackt?
In voller Bekleidung und mit besten Grüßen,
Gerhard Sorger, Wolfpassing, per Email
Lieber Gerhard,
Wiener bezeichnen den bekleidungslosen Körperzustand als budlnockad (pudelnackt). Dabei ist nicht an eine Verwandtschaft von Pudel und Nudel zu denken, vielmehr ist die Hunderasse names Pudel gemeint, die nach Schur ihres wollenen Fells einen Eindruck schierer Nacktheit erzeugt. Splitternackt zu sein, insinuiert ebenfalls (wenn auch hier fälschlich) den Eindruck, mit Splitter könnte der Penis des Mannes gemeint sein. Splitternackt können indes auch Frauen sein.
Mit den Bezeichnungen „splitternackt“, „fasernackt“ und „splitterfasernackt“ verbinden wir jedenfalls seit dem 17. Jahrhundert den Zustand der Unbekleidetheit. Die Variante „faselnackt“ hat sich wohl an den Fasel, das „nackte“ frischgeworfenes Tier angelehnt. Mit dem tatsächlichen Ursprung unseres Begriffs hat das Tierjunge indes nichts zu tun. Kommt doch unsere Wendung aus der Holzverarbeitung. „Splitternackt“, eigentlich „splinternackt“ ist ein Baumstamm, bei dem sogar der Splint, die unterste Bastschicht abgezogen ist. Das Adjektiv ist seit dem 15. Jahrhundert aktiv. Warum aber zog man Bäumen Rinde und Haut ab? Für das Zersägen in Bretter und Balken im Sägewerk ist es nicht unmittelbar notwenig. Das Splitterfasernacktmachen von Baumstämmen diente der Gewinnung der Rinde. Aus ihr wurde die Gerberlohe oder schlicht Lohe gewonnen. Das mittelhochdeutsche Wort „lo“ bezeichnet das Abreißen, Schälen oder Löchern. Gebräuchliche Grundstoffe für Gerberlohe waren die gerbstoffreichen Rinden von Eichen und Fichten. Als Gerben, dies darf hier in Erinnerung gerufen werden, wird die Verarbeitung von rohen Tierhäuten zu Leder bezeichnet.
Kehren wir zu ihrer letzten Frage zurück. Nach meiner bescheidenen Einschätzung sind Splitternacktheit und Fasernacktheit beide Zustände vollständiger Unbekleidetheit. Ganz sicher ginge man mit mit der Verwendeung der Kombinationsbezeichnung „splitterfasernackt“.
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