Für gelernte Österreicher kristallisieren die demokratischen Verhältnisse der Republik in scharfzüngigen, von Zeitungsbesitzern und Fernsehsprechern nominierten Parteiführern, die nach Fußballtrainerart eine Mannschaft befehligen, die sie nach eigenem Gutdünken im Hohen Haus positionieren. Ältere und laute sitzen weiter vorne, stillere und die Jugend weiter hinten. Das Parlament versteht sich als Rede- und Gegenredetheater, dessen Aufführungen zu programmfreien Zeiten im Fernsehen übertragen werden, um Arbeitslose und Schichtarbeiter schläfrig zu machen. Parteitrainer, die sich gut vertragen, schließen ein Bündnis, meist mit Handschlag, seltener mit Unterschriften, das sie Koalition nennen. Sodann begeben sie sich mit ihren Lieblingsbuddies zum Bundespräsidenten (ein älterer Herr mit grantigerm Gesicht), lassen sich angeloben und ein Foto machen. Dieser zentrale Vorgang wird Regierungsbildung genannt.
Einmal in der Woche trifft sich die Regierung im Bundeskanzleramt an einem grünen Tisch, spielt Karten, trinkt Kaffee und führt Schmäh. Gegen Mittag wird Schnaps gereicht und Knabanossi. Wer eine gute Idee aufgeschnappt hat, beim Friseur oder im Taxi, darf sie vortragen. Die besten Ideen werden vom Bundeskanzler auf einer Liste notiert und dann wird noch ein guter Witz erzählt, meist vom Finanzminister. Draussen vor den Polstertüren warten schon die Journalisten mit kleinen Notizblöcken und grossen Kameras. Am Boden liegen die Fotografen. Unter großem Radau öffnen sich die Türen vom Saal mit dem grünen Tisch und der Bundeskanzler tritt vor die „Presse“. Durch gezielte Fragen wird der Inhalt des Zettels mit den guten Ideen erfragt. Die anderen Mitglieder der Regierung sind derweil schon durch den Hintereingang verschwunden. Ihre Fahrer bringen sie jetzt nach Hause, wo sie sich ausruhen und ein verdientes Schläfchen machen. Manchmal spritzen zwei oder drei die Siesta, treffen sich in einem Kaffee ums Eck und fassen einen Plan: Neuwahlen. Chef wird, wer die Idee dazu hatte.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19.8.2017.