Er wolle ja gar nicht raunzen, beschied der Wiener Bürgermeister Michael Häupl der Öffentlichkeit, Wahlkampf sei Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passierten halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit seien – leider auch in der eigenen Partei. Die auslösende Episode liegt mittlerweile 12 Jahre zurück und könnte schon heute aus Harmlosigkeitsgründen kaum noch als empörend verstanden werden: Die Jungsozialisten (traditionell in Disput mit der Mutterpartei) hatten eine Aktion gestartet, bei der Mitglieder der schwarzorangen Bundesregierung als Watschenmann traktiert werden konnten. Der insultkräftige Vergleich amtierender Bundesminister mit Jahrmarktsfiguren würde heute nur mehr von einem lokalhistorisch versierten Publikum verstanden werden. Die Watsche als Beleidigungsform gibt es kaum noch, das Wort hat musealen Charakter angenommen. Auch die Figur des Watschenmannes hat nur mehr marginale Präsenz. Die Praterattraktion einer „großkopferten“ Figur, der man gegen Münzeinwurf einen Backenstreich applizieren konnte, verschwand schon in den Siebzigerjahren aus dem Wiener Volksbelustigungsgelände. Um den ministerialen Watschenmännern eine auflegen zu wollen, musste man den echten gekannt haben. Inklusive dem Schmerz, den eine falsch applizierte Watsche dem eigenen Handgelenk oder der eigenen Handfläche hinterlassen konnte. Eine Watsche war ein bösartiges, aber mutuelles Ereigniss. Opfer und Täter waren im Schmerz verbunden.
„Moderne“ Wahlkämpfe schlagen fester und tiefer. Der Befund der fokussierten Unintelligenz allerdings darf weiterhin ausgestellt werden. Und längst sind nicht mehr nur parteipolitsche Akteure an den Brutalitäten beteiligt. Die böse Minutenlyrik der Twitteria, die derbe Hassprosa auf Gesichtsbuch und die boshafte Kleinessayistik des Boulevards sorgen für sommerliche Vorwahl-Pestilenz. Und einen Berufsstand wollen wir in Hiblick auf Beleidigungstraditionen nicht vergessen: Die politischen Vorauskommentatoren. Das Nerven durch giftige Besserwisserei ist noch die angenehmste ihrer Waffen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 29.7.2017.