Jeden Ersten Mai marschieren die Bezirksorganisationen und Sektionen der Wiener Sozialdemokraten auf traditionellen Routen durch Gassen, Straßen und Boulevards der Stadt. Nicht ohne sich dabei der Häme politisch Andersgesinnter auszusetzen. Aber das gehört zum folkloristischen Beiwerk der ganzen Unternehmung. Die Genossinnen und Genossen antworteten auch in Zeiten sozialdemokratischer Ausdünnung mit unbeirrbarem Arbeiterstolz und der Gelassenheit von Generationen.
Ziel des Sternmarsches aus den Bezirken ist das Wiener Rathaus und die dort abgehaltene Kundgebung. An den Spitzen der mitgetragenen roten Fahnen kann man das Trisagittal-Emblem der SPÖ sehen, ein metallenes Signum von der Größe einer Hand – drei nach links unten weisende weiße Pfeile im roten Ring. Semiotik-Interessierte mag dabei irritieren, dass die drei Pfeile im Kreis nach unten zeigen und nicht nach oben, in die lichten Höhen der Zukunft. Das Zeichen wurde 1932 als Symbol des Zusammenschlusses sozialdemokratischer Vereinigungen vorgestellt und schon bald von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs als Kampfabzeichen adoptiert. Dem Vorschlag, die Pfeile nach oben zu richten, wurde entgegnet, dass der „Feind“ in den Niederungen der Menschheit zu suchen sei und die Pfeile selbstverständlich nach unten zielen müssten. Mit den „Drei Pfeilen“, sie symbolisieren den Kampf der Arbeiterbewegung gegen Faschismus, Klerikalismus und Kapitalismus, wurden an die Wände geschmierte Hakenkreuze überpinselt und damit „aufgespalten“, wie das im Verständnis der Aktionisten hieß.
Schon 1933 wurden die „Drei Pfeile“ vom Ständestaat verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Vereinigung von Revolutionären Sozialisten und Sozialdemokraten zur neuen SPÖ, wurden die Pfeile vom „Roten Ring der Einheit“ umschlossen. Sie standen nun für Arbeiter, Bauern und „Kopfarbeiter“. Das Zeichen ist Signum für ein Dilemma: Arbeiter gibt es kaum mehr, die Bauern wählen schwarz (und neuerdings wohl türkis) und die Kopfarbeiter? Ein Hoffnungssegment.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 8.7.2017.