Alles über den Tabor

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 26/2017 zum 28.6.2017.

Liebe Frau Andrea,
wie man an meinem Namen unschwer erkennen kann, reißt es mich jedesmal, wenn ich durch die Taborstraße fahre. Ganz schlimm wird es am Tabor. Bitte um Linderung!
Liebe Grüße,
Petra Tábor, Wien, per Email

Liebe Petra,

Fragen nach der Etymologie der Leopoldstädter Hauptstraße erreichen uns mit einiger Regelmässigkeit, das Thema beschäftigt auch andere Leser, so Florian Grieber, Lisa Beneder und Lukas Pöltl.

Wir wollen bekannte Erkenntnisse frisch ausbreiten. Der alte Verkehrsweg, vor 1770 noch Kremser Strasse genannt, führte zur Donaubrücke, sie lag bei jener, heute noch „Am Tabor“ genannten Örtlichkeit an der Nordostecke des Augartens. Der alte Tabor hatte bis 1683 an der ‘Langen Brücke’, westlich des Augartens, zwischen dem heutigen Gauß- und Wallensteinplatz gelegen. Als „Tabor“ bezeichnete man damals generell Verteidigungsanlagen, in unserem Fall eine Fortifikation, die im 15. Jahrhundert zur Sicherung der Donaubrücke gegen militante böhmische Hussiten errichtet worden war. Bemerkenswerterweise hatten die reformatorisch-revolutionären Hussiten selbst diese Art der Befestigungsanlagen erfunden. Ihren Namen hatten solche Schanzwerke von der tschechischen Stadt Tábor, die nach 1420 zur Wiege des radikalen Hussitentums wurde.

Der Name selbst ist viel älteren, biblischen Ursprungs. Östlich von Nazareth erhebt sich der 588 Meter hohe Berg Tabor (hebräisch Har Tavor). Bereits im 2. Jahrhundert v.u.Z. gab es dort ein Baal-Heiligtum. In der Richterzeit versammelten die Prophetin Deborah und der Feldherr Barak dort ihre Truppen, um das Heer des Königs von Hazor zu schlagen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Name des Berges (Tabor) und jener der Prophetin (Deborah) gleichen Ursprungs sind. Deborah bedeutet im hebräischen „die Bienenfleissige“, ein Attribut, das auf Architekturkritiker Jan Tabor gleichermassen zutrifft wie auf die Verfasserin dieser Zeilen, ist doch ‘Dusel’ eine der hebräischen Kurzformen des biblischen Namens Deborah. Bienenfleiß ist auch bei der Verlängerung der Taborstraße um vier Häuserblocks Richtung Nordosten zu beobachten. Bis 2025 wird auf dem Areal des ehemaligen Nordbahnhofs ein neuer Stadtteil gebaut.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert