Der letzte Bürgerliche

Fast schon dachte man, er sei ausgestorben. Der Bürgerliche, der Konservative, der Mensch mit dem Fokus auf das Bewahren, das Erhalten. Dann kam er, der Infant, der Jungbegabte, der Beliebte, das Ausnahmetalent, der Prinz der Umfragen. Rechtzeitig. Mit einem Programm, dass da heißt: Ich. Ich für Euch. Aus der Mottenkiste riecht es wieder gut, frisch, nach dem sauberen Duft glorreicher Zeiten. Absolutheit steigt auf wie glitzender Morgennebel. Kaiserwetter ist angesagt. Wer, wenn nicht Er.

Sehen wir uns die Verhältnisse genauer an. Was man in Österreich im Bürgerlichen zu erkennen meint, kennen aufgeklärte Nationen als den Citoyen, den unabhängigen Stadtbürger. Tatsächlich ist der österreichische Bürgerliche Bauer, Beamter, Betriebswirt. Der Gestus des Bewahrens erschöpft sich im Schutz kontrollierbarer Strukturen. Zum Erhalten hat sich längst der Ausbau gesellt. Die kleinste Hütte ist mittlerweile ein Alpenpalast, die Berge sind durchgepistet, die Täler ausasphaltiert. Im Konservativismus (wörtlich der Mitdienerschaft) erkennen wir Servus, den Diener und gleichzeitig die dazu passende joviale Grußvokabel. Das Zelt in dem sich diese Verhältnisse darstellen, ist aufgespannt. Die Kathedrale der Ausgelassenheit dient nicht dem Zirkus, der darin aufgeführt wird, sondern beide dienen dem Direktor. Dem Vorsitzenden. Dem Obmann. Dem Leitungsorgan. Dem Chef. Wir hätten die Bergstation konservativen Denkens erreicht. Es geht um Macht. Macht ist das Ziel bürgerlichen Denkens.

Welche Motiverung aber hätten alle Nichtchefs, konservative Verhältnisse herbeizuführen, sei es durch Wahl oder Affirmation? Es liegt im Wesen des Dieners, Stabilität zu perpetuieren. Und im Nichtvorliegensfalle: Diese herbeizuführen. Ohne Servus kein Kaiser. Heilige Wiesen werden versprochen und Disteln aus Gold. Und dann werden die Diener weich und duldsam. Verneigen sich und legen das Joch an. Dann gilt der Spruch, den Hannah Arendt von Kant berichtet: Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 17.6.2017.

2 Gedanken zu „Der letzte Bürgerliche“

  1. Liebe Frau Dusl!
    Sie sprechen mir und vielen anderen mit Ihrem „letzten Bürgerlichen“ voll und ganz aus der Seele (und aus der Magengrube). Sehr gelacht! Das hat im Übrigen nichts mit Politik zu tun, und auch nicht mit Weltanschauung. Manchmal kommt man sich vor, als wäre hier die ganze Welt unter Bergen von Lederhosen und Trachten verschüttet. Das Übrige tun die Skischaukeln. Der opportunistische Einheitssterz macht krank. Und Sie haben exakt den Punkt erwischt.

  2. Ich lach mich tot! Diese schonungslose Darstellung des soizbuaga Trachtenhutträgers hat sich in der Form nicht einmal in den 70ern die GRM (Gruppe revolutionärer Marxisten) in ihrer Wochenschrift „der Rotstift“ getraut, die im SOG an die langhaarigen unrasierten Zigarettenwuzler verkauft wurde.
    Ein kleiner Schönheitsfehler in der höheren „Salzburgologie“. In Soizbuag trank man immer „Scharlachberg Meisterbrand“, der in der Brennerei des Grafen Dubsky (??) erzeugt wurde.
    Mit dem EU Beitritt und fiskalischen Verschiebungen wurde dei Brennerei in Salzburg geschlossen. Haslauer der I. hat auf seinen Besuchen bei seinem früheren Dienstgeber „Wirtschaftskammer“ , die er mit den neu in Mode gekommen genagelten Schuhen lautstark durchklapperte, auf den Gängen Tischerl vorgefunden mit einer Schachtel „Winston“ drauf und einer Flasche „Scharlachberg“ und Scharlachberggläsern.

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