Coq gaulois

Wenn es brannte in der mittelalterlichen Stadt, stand der Rote Hahn auf den Dächern. Die Redewendung wird gemeinhin auf die Ähnlichkeit der lodernden Flammen mit dem Kamm des Hahnes bezogen, tatsächlich hat sie tieferen symbolischen Gehalt. Der Hahn gilt als Kündbote des Morgens. Wenn nun der Frühaufsteher nicht krähte, sondern rotleuchtend über den Dächern der Stadt stand, hatte dies profane Ursachen. Die Feuer gingen fast immer von den Backstuben aus, und die fachten ihre Öfen vor dem Anbruch der Dämmerung an. Feuer waren immer Frühfeuer.

Ob der Gallische Hahn ein roter war, ist nicht bekannt, seine Nämlichkeit bezieht er jedenfalls vom lateinischen Wortspiel, dass den Gallier und den männlichen Hühnervogel mit dem selben Wort bezeichnete: Gallus. Die Grande Nation hat sich gerne und lange mit dem Hahn identifiziert. Einem Tier, das als stolz und stark, aufmerksam und fertil wahrgenommen wurde. (Napoleon machte eine Ausnahme, er hatte sich erst in die Goldbienen von Childerich I. verliebt und dann in den Adler der römischen Caesaren.)

Dass der stolze Hahn auf dem Misthaufen residiert und nicht im Geflügelpalast, wird geflissentlich verschwiegen, hat sich aber in der Sage vom Basilisk (wörtlich: kleiner König) niedergeschlagen, dem unnatürlichen Nachwuchs des Hahnes. Legt der Hahn ein Ei (sieben Jahre alt muss er dazu mindestens sein), ist Vorsicht geboten. Besonders dann, wenn das Ovum von einer Schlange, einer Kröte oder im Mist ausgebrütet wird. Aus dem Hahnenei, so die volkstümliche Angst, kriecht der gefürchte Basilisk. Sein stinkender Atem ist unerträglich, sein Blick lässt zu Stein erstarren. Das Ungeheuer, das in Brunnen und Kellern lauert, kann nur mit Gegenzauber vernichtet werden. Um den Basilisk zu töten, muss ihm ein Spiegel vorgehalten werden, der den petrifizierenden Blick des Ungeheuers gegen den Basilisken selbst kehrt.

Noch ist nicht klar, wer im französischen Drama der rote Hahn ist, wer der Misthaufenkönig und wer das böse Ei. Ist der Basilisk schon geschlüpft oder brütet die Schlange noch?

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 29.4.2017.

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