Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 17/2017 zum 26.4.2017.
Liebe Frau Andrea,
kürzlich wurden in mir Kindheitserinnerungen an die sechziger Jahre wach, in denen wir Buben im Sommer mit „Klotthosen“ die Wiesen und Wälder durchstreiften. Eine Hose wie damals, kurz, schwarz, bequem war immer dabei und ist doch urplötzlich vom Erdboden verschwunden.
Ehrerbietigst Ihr
Josef Dollinger, Wien Neubau, per Elektrobotschaft
Lieber Josef,
das angesprochene Kleidungsstück wurde in der Regel (wenn auch nicht auschließlich) von Knaben und Männern getragen und diente als Universal-Utensil zwischen Turnhose, Badehose und Unterhose. Die meisten Erinnerungen und zeitgenössischen Photographien geben schwarze „Klotthosen“ wieder, die über dem Knie endeten. Das Material, aus dem die bequemen und billigen, ja oft selbstgenähten Hosen angefertigt wurden, war ein leicht glänzender Futterstoff aus Baumwolle oder Halbwolle, gewebt in Atlasbindung und (noch unerforschterweise) mit dem englischen Generalbegriff „Cloth“ bezeichnet. Die Webart erzeugt einen Stoff mit zwei unterschiedlichen Seiten, einer Oberseite und einer Unterseite, er hat auf der Oberseite mehr Schussfäden als Kettfäden und umgekehrt. Darauf basiert der Glanz, die Dichte, Glätte und der weiche, fließende Fall, der für diese Stoffe typisch ist. Wie unschwer zu erkennen ist, bekam die Klotthose Ihren Namen von erwähnter Textilbezeichnung, adaptierte ihn aber an innerösterreichische Aussprachemodalitäten. „Cloth“ bezeichnet im englischen das Tuch oder Gewebe und ist direkt verwandt mit dem Neologismus „clothes“ der anglosächsischen Bezeichnungen für „Kleidung“. Das Wort „Kleidung“ selbst kommt ebenfalls aus gemeinsamer protogermanischer Wurzel, einem rekonstruierten *klaithaz, das, wenig überraschend, ebenfalls Stoff für und Kleidung im allgemeinen bezeichnete. Semantisch, wenn auch nicht etymologisch verwandt ist die „Kluft“, das über das Westjiddische und Rotwelsche in die Studentensprache migriert ist und vom hebräischen „qelippa(h)“, „Schale“ kommt. Wir dürfen im Einklang mit dieser Koinzidenz in Erinnerung rufen, dass der Bua von Wööd (der Junge von Welt) mit einer Glotthose (einer Hose aus Cloth) immer dulli gschoint (geschalnt) war, also gut gekleidet.
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Gibt’s noch irgendwo Klotthosen zu kaufen?
Ich habe keine Ahnung.