Schnitzel mit Sardellen und andere Irrungen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 15/2017 zum 12.4.2017.

Liebe Frau Andrea,
in einer Quizsendung auf ARD kam auf die Frage, was ist die klassische Garnitur auf einem Original Wienerschnitzel sei, „Zitrone, Anchovis und…?“ die Antwort „Kapern!“ Das ergab 500 Euro für die Kandidatin. Diese Garnitur hab ich in Wien noch nie bekommen, verkehre ich in den falschen Lokalen?
Mit besten Grüssen von
Monika Göth, Leopoldstadt, per Email

Liebe Monika,

das echte und einzig richtig zubereitete Wiener Schnitzel wird aus der Kalbsschale oder dem Fricandeau, am besten aber aus der Kalbsrückenrose geschnitten. Und zwar mit dem Schmetterlingsschnitt, der die Fläche des Schnitzels verdoppelt. Geplättet wird das Schnitzel mit einem breiten, aber tunlichst zahnlosen Klopfer. Das rohe und hauchdünne Schnitzel wird gesalzen, beidseitig in griffiges Mehl gelegt, in gut verrührte Eier getaucht und in feinen Semmelrieb gedrückt. Herausgebacken wird das Schnitzel in geklärtem Butterfett. Das Schnitzel muss im knisternden Butterschmalz schwimmen, weil es sonst nicht gleichmäßig gart. Nachdem die Unterseite goldgelb gebacken ist, wird das Schnitzel gewendet und die Oberseite fertiggebacken. Als Beilage ist eine kernlose halbe Zitrone erlaubt, Restaurants vergehen sich allerdings regelmässig in der Dekoration des Schnitzels mit Zitronenrädern und Petersilbäuschchen (gebacken oder roh). Auf separatem Teller wird Erdäpfelsalat gereicht. Soweit die in Wien milliardenfach erprobte Theorie der Herstellung. Die deutsche und skandinavische Küche gefällt sich in der unerhörten Entstellung des Gerichts durch Belegung mit der sogenannten „Wiener Garnitur“: Einer Scheibe Zitrone, auf die ein Sardellenfilet zum Ring gelegt und mit drei Kapern gefüllt wird. Varianten kennen die Garnierung mit Sardellenringerln und einem Löffel Preiselbeermarmelade. Woher diese Entgleisungen kommen, ist noch nicht hinreichend erforscht, wiewohl die Leibspeise Erzherzog Karl Ferdinands (des Bruders des Thronfolgers) verbürgterweise ein Schnitzel war, in das nach Cordon-Bleu-Manier eine Tasche geschnitten wurde, in die (vor dem Herausbacken) eine Rahmtopfen-Kapern-Anchovis-Masse gefüllt wurde. Die hoheitliche Groteske schmeckt übrigens großartig!
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

3 Gedanken zu „Schnitzel mit Sardellen und andere Irrungen“

  1. Was gehört denn jetzt wirklich unbedingt zum Wiener Schnitzel? Ich persönlich brauch nur das Schnitzel mit einer Spalte Zitrone und Buttererdäpfel mit a bisserl Petersilie. Wichtig ist halt, dass die Panier schön fluffig ist.

  2. Sardellen und Kapern wurden zum Wiener Schnitzel Anfangs des 19. Jahrhunderts noch standardmäßig serviert, zu dieser Zeit wurde Kalb gerne mit der säuerlichen Komponente der Kapern, oft als Soße serviert, wie heute noch bei Königsberger Klopsen, oder Vitello Tonato.
    Gleiches gilt für die salzigen Sardellen, beides ist mittlerweile ausgestorben und wird so nur noch selten serviert, hat somit aber durchaus seine Berechtigung.
    Preiselbeeren sind wahrscheinlich von Wildgerichten zum Schnitzel gerutscht, auch hier scheiden sich wieder die Geister, genauso bei der Zitrone.
    Als Küchenchef eines Müncheners Stadt Wirtshauses, habe ich das Wiener Schnitzel, sowie das Cordon Bleu mit allen der genannten Komponenten serviert und auch alle Reaktionen wie Meinungen dazu durch.
    Unterm Strich wird diese klassische Anrichtung, wenn meist erst mit großer Verwunderung, letztendlich gerne angenommen und gefeiert, wenn auch eher selten komplett vom Gast genutzt.

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