Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 11/2017 zum 15.3.2017.
Liebe Frau Andrea,
nach Ihrer letzten Kolumne haben wir (5 OberösterreicherInnen, ein Wiener) Feuer gefangen und Begrifflichkeiten aus der Kindheit ausgetauscht. Der Wiener in unserer Runde behauptete, „Räuber und Gendarm“ gäbe es in Wien nicht.
Rita Hinterstoißer, Wien-Neubau, per Email
Liebe Rita,
dass es in Wien keine Räuber gäbe, lässt sich mit der Kriminalstatistik nicht belegen. Im Falle der Gendarmen gibt es andere Befunde. Gendarmen gibt es in Wien tatsächlich nicht. Ursprünglich eine französische Militärtruppe, waren die “Gens d’arms“, die Männer unter Waffen ein Aufgebote der Landstände. Ein lombardisches Gendarmerieregiment des französisch dominierten Königreich Italien wurde 1815 von der Habsburgermonarchie übernommen, nachdem die Lombardei (wieder) an Österreich gekommen war. Nach der 1848er-Revolution übernahm Kaiser Franz Joseph das lombardische Konzept und ließ die Gendarmerie einrichten. Die “Schanti“ sollte in Österreich (mit Ausnahme der 15 größten Städte) das Bild der ländlichen Sicherheitskräfte prägen. 2005 endete die 156-jährige Geschichte der Gendarmerie mit der Zusammenlegung von Polizei, Gendarmerie, “Kripo“ und Teilen der ehemaligen Zollwache zum neuen Wachkörper “Bundespolizei“. Wollten Wiener Kinder je das Versteck- und Fangenspiel “Räuber und Gendarm“ spielen, mussten sie die Tatsache vergegenwärtigen, dass es Gendarmen in Wien de jure und de facto nicht gab. Man spielte also ein Spiel vom Land. Mangels Wäldern und Wiesen im Beserlpark und im Keller. Begrifflichkeiten der angesprochenen Polarität waren dennoch in Zirkulation. Für Räuber kennt das Wienerische den „Rauwa“, “Schoafhandla“ und generell den „Pülcher“. Wollte man sein Gegenüber, den Polizist bezeichnen, griff und greift der Wiener zu den Audrücken “Hee“ (von der Höhe), lieber aber noch zu “Schmier“ (jiddisch “schmiro“ bezeichnet die Bewachung) oder “Wetsch“ (romani “wešekero“ ist der Jäger). “Kieberer“ (von den rotwelschen Wörtern “kewjus“, Sicherheit und “Kiewisch“, Kiebitz) sagen nur “Frankisten“ (Milieufremde) zum Polizisten. Auch beliebt: “Spinotara“, „Pflasterhirsch“, “Krautwachla“ und “Mistelbacher“. Allesamt Beamtenbeleidigungen.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Und weil es in Wien keine Indianer UND keine Cowboys gab, wurde das dort auch niemals gespielt.
Schönen Gruß aus einer Stadt mit Landespolizeikommando und keiner Gendarmerie, aber mit Räubern und Gendarmen.
Leider muß ich Ihnen heute widersprechen. „Die Hee“ (eigentlich „die He“) kommt nicht von Höhe, sondern vom spanischen „(santa) hermandad“ und ist sehr alt. Man wollte den Namen dieser Art Geheimpolizei nicht ganz aussprechen (so wie auch nicht den Namen des Teufels).
Schnell aus Wikipedia kopiert:
Das spanische Hofzeremoniell wurde im 15. Jahrhundert am Hof der Herzöge von Burgund, einem Seitenzweig der französischen Könige und Herrscher über die Niederlande, entwickelt. Herzog Philipp der Gute schuf ein detailliertes Hofzeremoniell, zu dem auch die Schaffung eines Ritterordens, des Ordens vom Goldenen Vlies, gehörte, um die Eliten seines heterogenen Länderkonglomerats von den Alpen bis zur Nordsee in ein hierarchisches Herrschaftssystem einzubinden. Äußerliches Kennzeichen dieses Zeremoniells war das Tragen schwarzer Kleidung. Durch Erbgang gelangten die Niederlande an die Habsburger, die dieses Zeremoniell am spanischen Hof unter Karl V. und in Wien unter seinem Bruder Ferdinand von Österreich einführten. Da Spanien Vormacht in Europa bis 1650 war, wurde das burgundische Hofzeremoniell den anderen europäischen Höfen als Spanisches Hofzeremoniell bekannt. In Österreich wurde es bis Joseph II. praktiziert.
Ferdinand stand lange im Schatten seines Bruders, aber auch bevor er diesem im Reich nachfolgte, spielte er eine beachtliche Rolle. Durch die Erbteilung von 1521 erhielt er die habsburgischen Erblande, während Karl V. die spanischen Besitzungen und die burgundischen Niederlande bekam. In seinen Herrschaftsgebieten baute Ferdinand eine Behördenorganisation auf, die zur Basis der Verwaltung der kommenden Jahrhunderte wurde.
Herta Heger