Im Jahre 2003 ging es den Pommes frites an den Kragen. Als Antwort auf die französischen Kritik am „Krieg gegen den Terror“ und der Invasion des Irak wurden die frittierten Erdäpfel-Späne in den Kongress-Cafeterias des US-Kapitols in „Freedom Fries“, Freiheits-Fritten umbenannt. Zeiten nationaler Unruhe waren immer auch Anlass für chauvinistisch motivierte Neubenennungen. Boycottideen im Laufe des Ersten Weltkriegs hatten eine Umbenennung von Sauerkraut in „Liberty cabbage“ und von Frankfurtern vulgo Wiener in „hot dogs“ erzwungen.
Man darf also mit einiger Besorgnis den heimischen Konjunktureinbruch in der Liebe zur Türkei beobachten. Nicht auszudenken, wenn die Kritik an Sultan Erdoğan auch den Konsum jahrhundertealter, türkisch vermittelter Kulturimporte aus dem Orient beschädigte. Die Hotels und Pensionen des Landes würden bei Zunehmen antiturkmenischer Ressentiments auf das beliebte Weckamin Kaffee und das Süßmittel Zucker verzichten müssen, desgleichen auf den Morgenschlager Joghurt und das beliebte Frühstücks-Kipferl. Die Blumengeschäfte und Vorgärten würden sich den Verkauf und das Anpflanzen von Flieder (türkischem Holler) und Tulpen (benannt nach dem Tulipan, dem Turban) verbitten. Der Handel würde ohne die Begriffe Tarif, Tara, Magazin, und Arsenal auskommen müssen oder diese zumindest in „Dienstleistungsgebührenverzeichnis“, „Handelsgewichteunterschied“, „Verschiedengutschatzkammer“ und „Waffenwartegroßlager“ umbenennen müssen. Mützen und Pantoffel würden wir nicht mehr tragen können, und auch Herrenweste und Damenhose wären türkisch kontaminiert.
Man wird daher diesen Befürchtungen mit jenem ironischen Gestus begegnen wollen, mit dem der letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II. 1917 die nationalistisch motivierte Umbenennung des englischen Monarchenhauses in „Windsor“ quittierte: „Werden wir jetzt Shakespeare umschreiben“, soll der Kaiser Richtung Buckingham Palace geknattert haben, „und uns freuen auf die nächste Aufführung der ‚Lustigen Weiber von Sachsen-Coburg-Gotha‘?“
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11.3.2017.
Hallo! Darf ich ein bisserl widersprechen und auch zustimmen? Ogier Ghislain de Busbecq, Botschafter der Habsburger am Hof Süleymans beschrieb in seinen Briefen nach Wien eine, für ihn abscheuliche, weiße Paste namens Jogurt. Es dürfte in Mitteleuropa tatsächlich unbekannt gewesen sein. Der Kaffee war den europäischen Eliten schon vor 1683 bekannt. Vermutlich existierten sogar Kaffeehäuser. Warum wir den Zucker von den Türken haben sollen, verstehe ich nicht und bitte um Aufklärung. Meines Wissens war Christopher Kolumbus ein Sohn einer genuesischen Zuckerimporteursfamilie und mit Zuckerrohr an Bord auf die Suche nach Anbaugebieten für den süßen Schatz gegangen (das ist ihm ja auch gelungen). Tja und das Kipferl. Bis 1683 war ein Halbmond auf der Spitze des Stephansdoms. Den hat man dann abmontiert wegen der Belagerer. Die Tafel in der Blutgasse, die auf die scheinbare Erfindung des Kipferls während der Belagerung verweist ist aber falsch. Diese Gebäcksform stammt aus der Antike. Es war ein Opferbrot fuer die Mondgoetting Selene und es gibt Aufzeichnungen aus dem 13. Jahrhundert, die das Kipferl als Brotform der Wiener Donauschiffer rund um Maria am Gestade ausweisen. Sie sollen demnach das Kipferl als Symbol für das Teufelshorn in die Donau geschmissen haben, um den dort ansäßigen Wasserdämonen Angst einzujagen.
Jetzt war ich sehr oberg’scheit – tut mir leid. Der Text ist erfrischend und es ist schon bedeutsam, das alltägliche Essen als wichtiges symbolisches Element und Ritual zu betrachten. Da spielt sich ziemlich viel ab. Also danke dafür.
Herzliche Grüße,
Martin Hablesreiter