Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 10/2017 zum 8.3.2017.
Liebe Frau Andrea,
ich bin nun schon seit ein paar Jahren in Wien und liebe die Sprache. Wie kann ich mein Wianerisch verbessern? Mein Freund ist verzweifelt, weil ich alles falsch ausspreche. Was raten sie?
Heike Möller-Lubitz, Wien/Lüneburg, per Email
Liebe Heike,
ich rate ab. Die große Mehrheit der hier lebenden Deutschen hält sich an diese Empfehlung. Manche schon jahrzehntelang. Deren Kenntnisse des Wienerischen geben keinen Grund zu grosser Hoffnung auf sprachliche Integration. Ich will Ihre Frage daher auf einer theoretischen Ebene behandeln. Fälle gelungener Imitation des Wienerischen durch Deutsche sind bekannt, aber an einer Hand abzuzählen: Spätnachtphilosoph Harald Schmidt wäre zu nennen, und die Kleinkunstgroßkünstler Michael „Bully“ Herbig und Michael Mittermeier. Die Genannten sind Equlibristen der Sprache und vergeuden ihr Talent nicht umsonst vor Millionenpublikum. Zudem gibt es nicht „das eine“ Wienerisch, sondern eine Vielzahl von Idiomen und Soziolekten, die alle ihre Eigenheiten haben. Das näselnde Schönbrunnerdeutsch von Graf Bobby und Baron Muki ist nicht ident mit dem Josefstädter Bürgerdeutsch einer Lotte Tobisch oder eines Peter Alexander. Hermann Leopoldi sprach anderes Meidlingerisch als Herwig Seeböck, das Mariahilferisch von Straßenbahnerbua Hans Krankl ist eine Tagesreise entfernt vom Arbeitersimmeringerisch des Schneckerl Prohaska. Im Beisl in der Brigittenau wird anders gesprochen als beim Brandinesa in Favoriten, bei den Praterstrizzi anders als bei den Gürtelpülchern. Ein alte Schlurfkatz aus den Dreissigern hatte einen anderen Schmäh drauf als die Krocharin aus den Nullern. Und Obacht, wem sie überhaupt zuhören! Die meisten in Wien Aufhältigen sind Oberösterreicher und Kärntner. Ihr Wienerisch ist hörbar schadhaft. Provinzlern aus dem heanzischen (und kroatischen) Burgenland, und aus aus dem allemanischen Ländle gelingt es indes ganz gut, Formen des Wienerischen zu etablieren, die einheimischen Ansprüchen genügen. Studieren Sie dennoch bei den Besten. Hören sie die alten Lieder. Gehen sie am Grund. Besuchen sie die tiafen Hittn. Lernen sie parlieren, schmäh fian und grean schmeun.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Grandiose Kolumne! Als geborene Wienerin mit Weinviertler Migrationshintergrund (nicht nur Kärntner und Oberösterreicher) freu ich mich über die alten Worte, die ich manchmal selber gar nicht mehr kenne. Obwohl ich dem 60er näher bin als dem 50er (Gruß an Doris Knecht – 50 ist noch harmlos – wenn die Seniorenermäßigung dräut, wirds richtig ernst), gibts immer wieder unbekanntes in ihren Texten. Z. B.: Grean schmeun – was bedeutet das?
LG
Liebe Frau Andrea,
Ich bin eher der Introvertierte Typ und möchte gerne etwas daran ändern. Meistens stehen Menschen um mich herum und unterhalten sich wie „von selbst“ – mir fällt einfach nichts ein, was ich sagen soll…. Ich will endlich dieses „passive“ abschütteln, weiß aber nicht wie…. Sie haben geschrieben „Lernen sie parlieren, schmäh fian und grean schmeun.“ – Haben Sie einen Tipp Wo ich das lernen kann?
Danke im Voraus