Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 07/2017 zum 15.2.2017.
Liebe Frau Andrea,
meine letzten Autofahrten auf der Autobahn südlich von Wien haben mich verunsichert. Habe ich etwa Änderungen in der Straßenverkehrsordnung nicht mitgekriegt? Man fährt neuerdings möglichst in der Mitte bzw. links und kennzeichnet Fahrspurwechsel tunlichst nicht. Sie können mir da sicher helfen, muss ich möglicherweise zur Nachschulung?
Josef Schneider, Graz, per Email
Lieber Josef,
automobile Besucher aus den Bundesländern und befreundeten Großstädten geben regelmässig ihrem Erstaunen Ausdruck, wie sehr sie die Verkehrspraxis in Wien beunruhigt. Kraftfahrzeuglenker aus Kairo, Bangkok, Moskau und Bombay sind weniger irritiert. Wiens Ausfallstraßen wurde im Neolithikum konzipiert und in der Postkutschenzeit nur geringfügig adaptiert. Für individuellen Massenverkehr sind sie nur unzureichend gerüstet. Der einzelne Autofahrer ist für das Autobahnfahren im Süden Wiens nicht ausgebildet. Moderne Fahrzeuge sind meist übermotorisiert und elektronisch überrüstet, die Fahrkabinen werden mit Populärmusik beschallt und gaukeln den Passagieren das Phantasma der Spaßfahrt vor. Teilnehmer an der Südeinfahrt nach Wien erfahren die Mitbewerber am Zieleinlauf als Wiener, verkennen dabei aber, dass in den wenigsten Fahrzeugen mit Wiener Kennzeichen auch Wiener sitzen. (Wiener lenken SUVs mit der Kennung WU, Wien-Umgebung.) Das Fahren auf linker und linkester Spur ist der Angst geschuldet, die Südosttangente nicht zu erwischen. Fahrspurwechselanzeige durch Blinken wäre laut Straßenverkehrsverordnung vorgesehen, da formulieren Sie richtigerweise ein Desideratum, lieber Leser Josef aus Graz. In Wien ist diese Kommunikationsform bedroht. Für viele der neueren Fahrzeuge wurden die Bedienungsanleitungen noch nicht studiert, in älteren Fahrzeugen fehlt die Technik oder ist ausgefallen. Zusätzliche Komplikationen für Rechtsspurfahrer ergeben sich aus der Tatsache, dass die Autobahnauffahrten vor Wien meist zweispurigen Verkehr einspeisen und die ängstlicheren unter den Fahrern zusätzlich belasten. Mein Tipp: Werden sie auch Nichtblinker, Linksfahrer oder nehmen sie die Bahn. Die fährt übrigens auch Links und blinkt niemals.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Als mild Ferrophiler muss ich anmerken: die Eisenbahn fährt nur mehr selten links (in Österreich). Siehe auch folgende Passage aus Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mehrgleisigkeit#Linksbetrieb_und_Rechtsbetrieb_als_Regelfahrordnungen