Top, die Wohnung gilt!

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 50/2016 zum 14.12.2016.

Liebe Frau Andrea,
wieso bezeichnet man Wohnungen in einem Haus, wenn man sie durchnummeriert, mit “Top“, zum Beispiel bei Türklingeln? Wann hat sich dieser Begriff gegenüber der profanen “Türnummer“ durchgesetzt?
Mit besten Grüßen, Günther Schöller, per Email

Lieber Günther,

wer in früheren Zeiten einen Besuch abstatten, einen Brief zustellen wollte, war mit Haus- oder Hofnamen, später mit Straße und Hausnummer bestens bedient. Ohne genaue Ortskenntnis war aber auch eine akkurat notierte Brief-Adresse oft Makulatur. Noch heute ist nicht ganz klar, was gemeint ist, wenn man von der Türnummer spricht. Meint das die Haustürnummer oder die Wohnungstürnummer? Wollte man genau vordringen, fragte man sich durch. Wiener Hausmeister, auf die traf man spätestens an der Haustüre, wussten mehr über uns als Google und die NSA. Auch der Postler kannte jede Tür und wusste, wer hinter ihr wohnte. Auch ohne Türnummer.

Die Bezeichnung “TOP”, sie wird meist groß geschrieben, verweist meist auf das, was wir unter Wohnung oder Apartment verstehen, aber auch ein Geschäftslokal oder Büro kann damit gemeint sein. Woher kommt nun das seltsame Wort “TOP” für das, was bürokratietechnisch als “Nutzungseinheitennummer” bezeichnet wird? Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit können wir das österreichische Mietrechtsgesetz und die frühen Achtzigerjahre als Quelle des Begriffs verorten, wird doch ausschließlich in Österreich von “TOP”s gesprochen. §19 Punkt 3 des Mietrechtsgesetzes enthält eine Passage, nach der von allen Mietobjekten eines Hauses neben Nutzfläche, Ausstattungskategorie und Mietkosten die “topographische Bezeichnung (Türnummer)”, anzuführen sei. Auf Wohnungsgrundrissen fand die Kurzbezeichnung TOP auch besser Platz als “Nutzungseinheitennummer”, “topographische Bezeichnung” oder “Türnummer”.

TOP, Top kommt in dieser Konsequenz vom griechischen Wort Topos, soviel wie “Ort”, “Platz”. Dass Makler und Vermieter die semantische Querbedeutung des englischen “top”, “oben” nicht ungern sehen, hat die Konjunktur unseres Begriffs befördert. Das aus dem Altenglischen kommende “top” ist übrigens direkt mit unserem “Zopf” verwandt. Unser Wohnen ist also in Zöpfen organisiert.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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