Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten. Das Zitat darf ergänzt werden um die Erkenntnis, dass nach Untergang der Sonne selbst die Fackel falsche Schatten wirft, stammt doch der vielstrapazierte Aphorismus nicht von Karl Kraus. Ob Kurt Tucholsky oder Erich Kästner der Autorenschaft geziehen werden dürfen, tut weniger zur Sache, als die Ungenauigkeit der Metapher selbst. In Nebel und Dämmerung fehlen die Schatten überhaupt, Trugbilder entwickeln die gleiche Kraft wie die Bilder selbst.
Jasomirgott ist der Beiname eines prominenten Landesregegenten aus dem Geschlecht der Babenberger. Heinrich II. war Pfalzgraf bei Rhein, Markgraf von Österreich, Herzog von Bayern und schließlich Herzog von Österreich. Sein Großvater war Kaiser, er selbst mit einer Kaisertochter verheiratet, dann gar mit der Nichte des byzantinischen Basileus. Bessere Familienbeziehungen waren kaum denkbar. Heinrich Jasomirgott erhob Wien zur Residenz. Ende November 1176 ritt er über eine morsche Melker Holzbrücke, sein Pferd brach durch. Der Zaubertitel Jasomirgott half nicht, der Herzog zog sich einen offenen Schenkelhalsbruch zu. Anfang Jänner des nächsten Jahres war er perdu.
Der Beiname Jasomirgott, im 13. Jahrhundert in der Form Iochsomirgot in den Annalen vermerkt, soll dem mittelhochdeutschen joch sam mir got (helfe) entsprechen und soviel bedeuten wie: ja, wie mir Gott helfen soll. Das entspricht der pathetischen Schwurformel „so wahr mir Gott helfe”.
Slawistiker sehen in Jasomirgott schlicht den Beinamen Jaromirov, appliziert von der slawischen Restbevökerung Österreichs. Nach anderer Theorie soll der Beiname gar die Verballhornung eines arabischen Spruches sein, den sich Heinrich auf dem Zweiten Kreuzzug zugezogen habe. Der arabische Chronist Ibn el Furât spricht jedenfalls von einem „Jâsan elkund Harrî“, einem Graf Heinrich mit dem Beinamen Jâsan.
Wie auch immer, der magische Beiname hat dem Träger kein Glück gebracht. Dies sollte Norbert Sowahrmirgotthelfe Hofer bedenken, wenn er durch die Lande zieht.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 29.10.2016.