Abfahrt

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 10.9.2016.

In seiner Entscheidung zur Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass 77.926 rechtswidrig ausgezählte Stimmen mit der theoretischen Chance verbunden waren, Ingenieur Norbert Hofer oder Dr. Alexander Van der Bellen allein zuzufallen und damit den bestehenden Stimmenunterschied von 30.863 Stimmen zu überragen. Soweit so bekannt.

Wenig Hermeneutik wurde dabei der erwähnten “theoretischen Chance” gewidmet. Diese birgt einen brisanten Gedankengang. Sind doch Auszählungsgebnisse unipolarer Ausschliesslichkeit in Österreich nur aus Zeiten bekannt, in denen tatsächlich manipuliert wurde. Etwa bei der Volksabstimmung am 10. April 1938, die im ehemaligen Österreich sowie im sogenannten „Altreich“, also auch in Deutschland, ein Ergebnis von 99,75 Prozent an Ja-Stimmen für den Anschluß des faktisch bereits angeschlossenen Österreichs an Deutschland ergab.

Ein anderer Passus der Entscheidung zur Wiederholung der Stichwahl moniert die vorzeitige Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen vor Wahlschluss. Hier fände, so die obersten Verfassungshüter, eine Einschränkung der Reinheit der Wahl statt, in deren Ergebnis doch der wahre Wille der Wählerschaft zum Ausdruck kommen solle. Das klingt rein und fein. Ist es aber nicht.

Die Wiederholung der gesamten Wahl unter anderen politischen Konstellationen und nach Abfeuern eines abermaligen schmutzigen Intensivwahlkampfs soll aus der Perspektive einer bis auf 77.926 Stimmen rechtskonform stattgefundenen Wahl keine Einschränkung der Reinheit sein? Und vor allem: Wiegt die Möglichkeit der Manipulation gleich schwer wie die Tatsächlichkeit einer solchen?

Wir fassen zusammen: Im Dorf zirkulieren böse Gerüchte zur Schwangerschaft von Fräulein Österreicher. Das herbeigerufene Ärztekollegium bestätigt diese insoferne, als es nach ausgiebiger Befragung und Introspektion der jungen Dame verkündet, eine Schwangerschaft liege nicht vor, könne aber theoretisch jederzeit möglich sein.

Steigen wir also nochmal in den Zug. Möge die Reise gelingen.

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