Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27.8.2016.
Die große Angst geht um. Die große Angst, das Thema Angst nicht im Portfolio zu haben. Die Politik, deren Aufgabe es wäre, Ängste zu nehmen, versteht sich zunehmend als deren Produzentin. Das hat unter anderem damit zu tun, dass in Schnitzelland traditionell eine unselige Koalition aus Boulevard und Radikalopposition regiert, nicht aber die Regierung selbst. Diese versteht sich nach Jahren der Reagierung als Aktionismustruppe. Führende Minister verirren sich im Trugschluss, Populismus könne nur durch Groteskpopulsimus neutralisiert werden. Tatsächlich geht es aber gar nicht um Angst und Gegenangst, sondern nur darum, auf dem Markt der Meinungen, unscharf dargestellt durch das fragwürdige Medium der Kleinsample-Umfrage, Punkte zu machen, die man für entscheidend erachtet. Wahlen werden längst nicht mehr in der Wahlkabine entschieden, sondern am Kirtag der Angstschreierei. Nennen wir diese Entwicklung bedenklich.
Es gibt neben der Angst der Angstmacher, nennen wir sie salopp Hysterie, auch reale Ängste. Zum Beispiel die Angst vor der Frau. Jüngst tritt sie uns in seltsamer Doppelfunktion entgegen. Die einen fürchten die unsichtbare Frau, symbolisiert durch die totalverschleierte Frau, weil diese ihre Bekleidungspräferenzen nicht dem Markt unterordnet, sondern einem patriarchal erzählten Rachegott. Die anderen fürchten das Verbot der Totalverschleierung , weil sie darin einen Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau sehen. Groteskerweise haben beide Seiten recht mit ihren Ängsten, stürzen sich aber auf die falschen Falschbekleideten. Sind doch die einzigen Totalverschleierten, die in Schnitzelland den öffentlichen Raum betreten, reiche Saudi-Araberinnen, die als betuchte Touristinnen die merkantilen Bedürfnisse alpiner Hoteliers stillen. Auf dem Tanzboden der Angst setzen diese Damen nur bescheidene Schritte. Wer Geld hat und es bei Gucci mit vollen Händen ausgibt, kann nicht ganz böse sein. Nicht in einem System, in dem das Kapital mit den Göttern bei Tische sitzt.