Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 25.6.2016.
Das Rot der Österreichischen Sozialdemokratie kommt nicht vom Hämoglobin des Sarazenenblutes, das vor Akkon das Kreuzritterhemd des Babenbergerherzog Leopold V. rot eingefärbt (und damit die österreichischen Flaggenfarben erzeugt) haben soll. Vielmehr wurde es erst am 4. Mai 1919 mit den ersten demokratischen Wahlen in Wien und der dabei errungenen absoluten Mehrheit der damaligen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs manifest. Es sollte 1934 in den Wirren des Bürgerkrieges gegen das klerikalfaschistische Regime des Ständestaats untergehen und für elf Jahre in größtem Diskredit stehen.
Unter roten Flaggen hatten schon die europäischen Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts demonstriert. Diese hatten ihr leuchtendes Rot bei den Jakobinern abgeholt, der radikalsten der linken Fraktionen der Französischen Revolution. Weil die Jakobiner stets rote Mützen trugen, vererbte sich die Farbe Rot bei sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien als Symbol revolutionären und sozialen Gedankenguts. Für die Kommunisten Russlands war die Farbe rot schon deswegen angesagt, weil “rot” und “schön” im Russischen mit demselben Wort “krassnij” bezeichnet werden.
Die roten Jakobinermützen stammen von den Kopfbedeckungen der antiken Phryger ab. Ursprünglich war deren rote Mütze ein gegerbter Stier-Hodensack samt der umliegenden Fellpartie. Mit dem Tragen eines tierischen Accessoires verband man die Übertragung der mythischen Fähigkeiten des Tieres auf seinen Träger. Während der Französischen Revolution wurde die phrygische Mütze zum politischen Symbol, weil ebensolche Kopfbedeckungen von den freigelassenen Sklaven der Antike getragen worden waren. Die “Freiheitsmütze“ stand in Frankreich und bald auch im restlichen Europa als Signal demokratischer und republikanischer Gesinnung in hohem Ansehen.
Das Rot der Sozialdemokratie ist also nichts weniger als das Rot jener Stierhodenfelle, die sich persische Barbaren aufsetzten, um ihrem Tagewerk mehr animalische Virilität zu verleihen.