Sammelalben, die uns noch fehlen

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7.5.2016.

Glaubt man der Wissenschaft, stammen wir von Jägern und Sammlern ab, und erst in gröberer Genealogie vom Affen. Die Österreicher stammen ganz besonders von Jägern und Sammlern ab, sie jagen und sammeln für ihr Leben gern. Hohe Funktionäre der Waidmannskunst bekleiden noch höhere Ämter im Staat und den republikrelevanten Konzernen; die talentierte Alpinbevölkerung jagt Winters Zehnteln und Hundertsteln nach, sammelt Pokale und Kristallkugeln, Titel und Triumphe. Flohmärkte und Tauschbörsen sind der Ösi Habitat.

Auch das Staatsvolk selbst wird gesammelt und bejagt, besonders zu Wahlzeiten. Nicht alle Sammler und Jäger sind dabei erfolgreich, aber alle lodern doch im Feuer der Leidenschaft. Wer es nicht schafft, leidet. Haben doch Sammelwahn und Jadgfieber wohlgelittene Schattenseiten. Nicht jede Wähler-Kollektion lässt sich vervollständigen, es bleiben in der Regel schmerzende Lücken. Auch die politische Jagd ist eine Zunft ohne Gewähr, die meisten Treffer gehen ins Leere, oft steckt der Pfeil im falschen Ziel. Geht es vielleicht garnicht um das Glück der Vollständigkeit, den Segen voller Körbe? Versteht sich die politische Kaste gar als Verein von Danebentreffern und Nie-Derglengern?

Im Rahmen der sadomasochistischen Grundkonstellation des Landes erfährt diese These Gewicht. Wir sind ein Volk von Verlorenen, regiert von Verlierern. Die Depression erfordert Nahrung durch allgemeines und spezielles Unglück. Wenn das Unglück nicht vom Himmel kommt, oder aus dem Ausland, machen wir uns das Fiasko selbst. Wir jagen also nicht dem Siegen hinterher, sondern dem Verlieren. Dabei helfen uns gutbezahle Animateure aus den verschiedenen politischen Lagern. Ihre Namen wechseln, aber ihre Intentionen sind alt und bekannt. Sie sammeln Anhänger, um sie in den Untergang zu führen. Sie gaukeln eine Jagd vor, bei der es nichts zu erlegen gibt, als die eigene Zukunft. Gibt es ein Entkommen? Nein. Die Talente, das Falsche im Falschen zu sammeln und den eigenen Schatten hinterherzujagen, sind nicht von der Gnade der Erkenntnis bedroht.

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