Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 16/2016 zum 20.4.2016.
Liebe Frau Andrea,
ich liebe Eisschokolade! Ich horte sie säckeweise und bekämpfe damit Heißhunger und depressive Verstimmungen. Eisschokolade ist mein stilles Glück. Was täte ich ohne sie! Was ich jedoch nicht verstehe: Auch wenn ich sie nicht im Kühlschrank lagere, fühlt sie sich (im Mund) so herrlich kalt an. Andere Schokolade kann das nicht. Was geht da vor sich? Hexerei?
Liebe Grüße und Danke, Renate Nowak, Mariahilf, per Wolkenkabelbrief
Liebe Renate,
dass Schokoladeeis kalt schmeckt, gehört zum Erfahrungsschatz westlicher Naschkultur. Eis ist kalt, es schmeckt nicht nur so, es bezieht seine sensorische Qualität aus tatsächlicher Kälte. Geschmolzenes Schokoladeeis (und jedes andere Eis) hat diese Eigenschaften verwirkt. Es mutiert zu schaumig-schaler Süsscreme. Anders Eisschokolade, das Objekt ihrer bonbonieren Zuneigung. Um Verwechslungen mit Schokoladeeis auch auf semantischem Parkett zu vermeiden, nannte man es ab origine – es wurde um 1927 in Deutschland erfunden – Eiskonfekt. In gängiger Darreichungsform kennen wir Eiskonfekt/Eisschokolade als quadratische Plätzchen, in bunte Alufolie gewickelt, oder als Miniatur-Cupcakes, in geraffelte kleine Töpfchen gegossen. Auch die kleinen Aluminium-Hütchen sind rot-blau-gold-grün-bunt getönt wie die weihnachtlichen Christbaumkugeln. Wie aber gelingt den Schokoproduzenten der kühlende Effekt der kleinen Kalorienbomben? Die traditionelle Originalrezeptur arbeitet mit ungehärtetem Kokosfett. Dieses weißlich-gelbe, wachsartige Pflanzenöl wird aus Kopra, dem Nährgewebe der Kokosnuss gewonnen und schmilzt in reiner Form bei 20 bis 23 Grad. Und hier liegt das ganze Geheimnis. Das Gefühl der Kühle von Eiskonfekt wird durch das Schmelzen des Kokosfetts hervorgerufen. Das koprafette Eiskonfekt entzieht dabei dem Mundraum Energie, also Wärme. Fällt die Temperatur der Zungenoberfläche unter 24 Grad Celsius, nehmen wir dies als Kälte wahr. Die industrielle Patissierie verstärkt den Effekt noch durch Beigabe von Traubenzucker oder Menthol. Ersterer entzieht dem Mund Wärme beim Lösungsvorgang, zweiterer arbeitet mit dem biochemischen Effekt direkt an den an den sogenannten Kälte-Menthol-Rezeptoren. Eiskonfekt ist damit eine entfernte Cousine von Zahnpasta, Mundwasser und Atemfrisch-Gummis.
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Mein gekauftes Eiskonfekt, ob in Hütchen oder Plättchen hat auch nach Lagerung im Kühlschrank nicht mehr diesen kühlen Eisgeschmack wie früher. Es schmeckt einfach nur nach kalter und übersüßter Schokolade.