8. April 2016
Andrea
Gestern saß da der NZZ.at-Ex-Presse-Haudegen F. im Bräunerhof. Ich nicke ihm freundlich zu, wie man das macht unter Kollegen, selbst, wenn man sich nicht mag. Keine Reaktion. F. sieht mich an, regt keine Wimper. Es gibt zwei Möglichkeiten. Er weiß nicht, wer ich bin. Dann ist er ein schlechter Journalist und unhöflicher Zeitgenosse. Zweite Möglichkeit: Er weiß, wer ich bin, dann ist er ein eitler, manierenloser Ungustl.
Irene
Ähnliches denke ich mir bei den Kollegen am Landl, grüße aber weiterhin höflich.
Katharina
oder völlig gedankenverloren – das passiert mir leider öfter und wird dann als arroganz verstanden.
Christof
Kann man die beiden Möglichkeiten auch kombinieren?
Andrea
Christof: Kurzsichtig und gedankenverloren?
Christof
nein, deine angeführten Kombinationen.
Andrea
Katharina, Robert: Ich bin selbst oft gedankenverloren und generell kurzsichtig, und im Rahmen dieser Kondition früher oft der vemeintlichen Arroganz geziehen worden. Ich habe mir daher angewöhnt, auf schieren Verdacht zurückzugrüßen. Dies weitergedacht, müsste F. ähnlicher Strategien entwickelt haben. Dafür gab es keinerlei Evidenzen. Ich werde ihn also in Zukunft nicht mehr nickend grüßen, weil dies a) sinnlos ist und b) unserem tatsächlichen Verhältnis entspricht.
Josef
Ist mir neulich am Schwedenplatz passiert. Du hast einfach durch mich durchgeschaut.
Andrea
Du mußt freundlich nicken! Und mich ansprechen!
Josef
Ich hab nur freundlich genickt und Serwas gesagt. Du warst aber in Gedanken, glaub ich.
Andrea
Bitte verzeih! Ich darf ins Treffen führen, dass ich ein netter Mensch bin und im Verteilungswettkampf auf der Seite der Verlierer stehe. Auch in dem der Aufmerksamkeit. Wann war das, Josef?
Josef
Vor 1-2 Wochen. Ich habs nicht persönlich genommen, keine Sorge.
Andrea
Eine Sorge weniger!
Stephan
Ein 1 A Popagandist der neoliberalen Zerstörung-komplett erfolglos siehe NZZ JOURNALISTENENTLASSUNGEN::::
Götz
Erlaube mir eine Erklärung in eigener Sache. Als Europa Stammgast mit dem Ecktisch im vorderen Bereich. Ich erkenne Menschen exakt und ausschließlich an den fünf mir Nahestehenden Tischen. Außerhalb dieser Distanz ist alles nur menschliches Plasma mit Matschgesichtern. Nehme kein Nicken und Grüßen wahr. Nichts Danke für die Aufmerksamkeit.
Andrea
Abstand war einen Meter. Aber egal. Ich sehe, das Thema polarisiert.
Andrea
Beziehungsweise: Ich polarisiere. Es gibt nämlich andere auch, die mich niemals grüßen. Neben mir stehende schon.
Andrea
Ich empfinde das dann als Kränkung. Was ich vielleicht nicht sollte.
Götz
Absolut verständlich. Es ist einfach sehr unangenehm wenn jemand einen Gruß zweifelsfrei und absichtlich nicht erwidert.
Ursula
Ich wiederum werde von an sich wohl erzogenen Menschen plötzlich nicht mehr gegrüßt, für die ich mal gekocht habe bzw. die bei mir zu Gast waren. DAS ist für mich ein ungehobelter Mensch. Der mag vielleicht aus einem ‚guten‘ Haus kommen, aber ein Zimmer hat gefehlt: Die Kinderstube.
Georg
ich tip auf beides
Corinna, Bestätigtes Konto
Ich kann das nicht einschätzen, bin aber ganz sicher, dass dich jeder denkende menschen in dieser stadt und jeder, der es sein möchte, gerne grüßen und kennenlernen würde. ich möchte an dieser stelle einen disclaimer anbingen: ich sehe nichts, trage aber keine brille. mein gesichtserkennungsradius beträgt ca 80 cm (also unterhalb der abstands-komfort-zone). und bin außerdem einer dieser menschen, die gedankenverloen mit dem mistsack in der hand bis zur endstation der ubahn fahren. meine augen sind dann nur staffage. ich grüße nicht und nicht zurück, und ich meine es wirklich wirklich nicht böse. es ist eher ein handicap.
Andrea
Aber wir erkennen einander doch auch in solchen Situationen! Und ich sehe auch nichts zwischen 45cm und und 120cm vor mir.
Andrea
Aber vielleicht ist es tatsächlich das Problem der Blindheit. Und F. ein zauberhafter Kollege.
Andrea
Und vielleicht ich die arrogante Gas.
Corinna, Bestätigtes Konto
haha
aber stimmt. ich seh schon manchmal leute und grüße sie. aber oft auch nicht, und ich hab urangst, dass sie dann denken, ich bin übergeschnappt. ich bin heute harmoniebedürftig und sage: alle sind zauberhaft, manche haben eben das eine oder andere handicap an ihren augen oder ihrer persönlichkeit.
Andrea
Ich habe generell Harmoniebedürfnis. So hat das ja angefangen. Vielleicht wäre Verrohtheit tatsächlich die bessere Handlungsanweisung. Auch in Hinblick auf lukrative Karrieren im öffentlichen Raum.
Brigitte
Liebe Andrea, dass einer grüsst, heißt noch lange nicht, das er kein obereitlter Ungustl ist
Andrea
Eh nicht, Brigitte. Aber auf Umgangsformen könnte man sich einigen. Ich ärgere mich ja nur über mich selbst, weil ich mir das freundlich Nicken hätte sparen können. Und zwar aus allen hier bisher vorgebrachten Gründen. Von der Kurzsichtgkeit, über die Gedankenverlorenheit bis zum Meschuggesein öffentlich zu Bekannter. Und dann frage ich mich, warum Aggression und manierenlose Halbeleganz bei Männern als Karrierefestiger fungiert. Ganz jenseits der hier dargstellten Person.
Andrea
Kann sein, dass das noch immer als Echo auf frühere Verhältnisse herumwandert. Ich werde das in Zukunft so halten, um schüchterne Kerlchen nicht zu verunsichern.
Andrea
Nana: Andererseits schreckt es mich immer, wenn Männer mir aus und in den Mantel helfen oder die Türe aufhalten. Nur im Einklang mit diesen Sitten liesse sich das Antwortgrüssen heute noch legitimieren.
Andrea
Nana, der Mann hat große Redaktionen geleitet. Und kleine. Und große und kleine Budgets. Der Mann tritt vor Publikum auf und ist Öffentlichkeit gewohnt. Verunsicherung sollte nicht zu seinen Defiziten gehören, auch wenn dies die Türe zur Liebenswürdigkeit öffnete.
Andrea
Es gibt noch eine Möglichkeit, an die ich aus Gründen überschießenden Narzissmus garnicht gedacht hatte. El Grande F. könnte mich für einen Fan gehalten haben und durch die unbekannte Freundlichkeit inkommodiert gewesen sein. Ich tendiere zu dieser neuen Variante. Mick Jagger hätte es nicht anders gemacht. Charlie Watts zumindest „Hi“ gesagt, wie mir Chris Duller aus einer asymmetrischen Begegnung mit dem Rolling Trommler berichtete.
Jill
grüßen tue ich aus prinzip schon einfach ‚mal alle zurück, die mich grüßen. alles andere käme mir sehr seltsam vor. es gibt bisher nur sechs ausnahmen, darunter zwei frauenschläger und zwei vergewaltiger. bemerkenswerterweise grüßen die mich immer.
Conrad
Zurückgrüßen wäre schon angebracht – ich mache das, wann immer mir auffällt, dass mich jemand gegrüßt hat. Aber wahrscheinlich bemerke ich es das eine oder andere Mal gar nicht. Beim Michael F. ist es mir auch mal so ergangen – an einem Vormittag in einem Lokal, in das ich sonst nie gehe. Denk ich mir halt: „No, der kennt mich nimmer. Werd ich verschmerzen.“ Ein paar Wochen später begegne ich ihm spätnachts auf der Straße, er grüßt mich zuerst, fragt freundlichst, wie es mir geht.
Er war halt das eine Mal unaufmerksam, das andere Mal aufmerksam. Ich kenn das von mir selber – und nehme an, dass mich auch manche für einen arroganten Dummkopf halten. Dabei bin ich meistens gar nicht arrogant, sondern nur ganz gewöhnlich dumm.